„Open Access in Deutschland“ ist das Strategiepapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) überschreiben, das in dieser Woche herausgegeben wurde. Und die Lektüre hält, was der Titel verspricht: auf 13 Seiten mehr Graubrot als Inspiration. Gleichwohl wird das Papier die Marktdurchdringung von Open Access (OA) voranbringen.
„Open Access soll schrittweise zu einem Standard des wissenschaftlichen Publizierens werden.“ So nüchtern klingt im Duktus der Verwaltungssprache, was einigen auf Verlagsseite Sorgenfalten auf die Stirn treibt – wenn es denn so kommt. Denn um nichts anderes als den „digitalen Wandel in der Wissenschaftspraxis“ geht es dem BMBF. Dabei steht das Ministerium, im bildungsföderalen System ohnehin nur mit begrenzten Mitteln und entsprechend geringer Gestaltungsmacht ausgestattet, unter erheblichem Druck, und zwar von gleich drei Seiten:
- Einige Bundesländer, allen voran Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Berlin, sind vorgeprescht und haben Open Access in ihren Landeshochschulgesetzen oder (Vergleichbarem) Absichtserklärungen verankert.
- Die EU-Kommission beschäftigt gleich drei Kommissare für den „Digital Single Market“ und ambitionierte Ziele zur „Öffnung“ der Wissenschaft wurden gesetzt.
- Nicht zuletzt hatte die Große Koalition in der Bundesrepublik sich zu Beginn der Legislaturperiode ins Stammbuch geschrieben: „Wir werden eine umfassende Open Access Strategie entwickeln, die die Rahmenbedingungen für einen effektiven und dauerhaften Zugang zu öffentlich finanzierten Publikationen und auch zu Daten (open data) verbessert.“
Hinter dieses vollmundige Versprechen fällt das Papier in weiten Teilen zurück und wirkt gerade dort lustlos-deskriptiv, wo es konkret werden sollte. Kein Wort über Data Publishing, wenig Konkretes zur Finanzierung. Stattdessen nimmt sich das BMBF vor, Standards zu setzen und Transparenz zu schaffen. Die Einrichtung einer nationalen Kompetenz- und Vernetzungsstelle und ein „Open Access Dialogforum“ werden angekündigt, ein „Open Access-Monitor“ ins Leben gerufen. Das sind alles sinnvolle Maßnahmen, eine Revolution im Wissenschaftsbetrieb ist es nicht. Die Umsetzung in der Praxis, so scheint es, wird delegiert.
Nun sind Revolutionen nicht täglich nötig und gegen solides Regieren spricht selbstverständlich nichts. Open Access, das wird immerhin klar, ist eine irreversible Realität im deutschen Wissenschaftsbetrieb, sei es für Zeitschriftenartikel oder für Monographien. Ihre vom BMBF proklamierte weltweite Führungsrolle im Bereich OA hat die deutsche Wissenschaft allerdings dem Ministerium nicht zu verdanken. Die großen Förderorganisationen, allen voran die Max-Planck-Gesellschaft, haben hier deutlich mehr Initiative und Mut zum Experiment gezeigt – sehr häufig übrigens gemeinsam mit Verlagen.
Aus Autorensicht kritisch scheint eine Einlassung zur Art und Weise, wie OA gefördert werden soll: „Die Entscheidung, ob publiziert werden soll, liegt in der alleinigen Verantwortung der Wissenschaftlerin und des Wissenschaftlers. Nur dort, wo ohnehin eine Publikation beabsichtigt ist, greift Open Access.“ Heißt das nun, es „muss Open Access publiziert werden“? Hier werden Klarstellungen erforderlich sein, denn Open Access braucht keinen Zwang.
Den Wissenschaftsverlagen, auch das ist erfreulich, wird dezidiert eine Rolle in der „Strategie“ des BMBF zugewiesen. Und es gibt das realistische Potenzial, dass deren Konzepte Innovationen im Bereich OA vorantreiben können. Hier wird das Papier dann doch kreativ: Services statt Inhalte werden als neue Treiber der Wertschöpfung identifiziert – man hätte sich mehr gedankliche Arbeit in diese Richtung und weniger Zustandsbeschreibungen gewünscht.