Solidaritätslesung für Deniz Yücel

"Frankfurt will das Meer sehen"

15. Oktober 2017
von Börsenblatt
Im Rahmen des Lesefests Open Books veranstaltete der Freundeskreis #FreeDeniz eine Solidaritätslesung für Deniz Yücel und alle anderen politisch Inhaftierten in der Türkei. Autoren, Journalisten und Politiker wie Eva Demski, Daniel Cohn-Bendit und Uwe Timm lasen Texte des deutsch-türkischen Journalisten vor.

"Ich bin jetzt draußen." So lautete die letzte SMS, die Autorin Margarete Stokowski von Deniz Yücel bekam. Das ist ziemlich genau ein Jahr her, damals war auch Frankfurter Buchmesse. Alle wollten auf die Rowohlt-Party, Yücel hatte keine Karte – aber Stokowski schon. Also verabredeten sie sich vor der Tür.

„Diese SMS würde ich heute gerne noch mal kriegen“, fasste Stokowski ihre Gedanken zur aktuellen Situation ihres Journalistenkollegen zusammen. Publizist und Politiker Daniel Cohn-Bendit begann seine Lesung mit einer Selbstkritik: Gemeinsam mit anderen Europa-Politikern habe er die Situation in der Türkei und Erdoğans tatsächliche Agenda unterschätzt. Autorin Eva Demski sagte gleich zu Beginn, sie gehöre nicht mehr zu denen, die glauben, dass solche Veranstaltungen etwas bringen: „Ich mache das aus egoistischen Gründen – weil ich mich dann besser fühle.“

Schriftsteller Dietmar Dath fand deutliche Worte für die Meinungsfreiheit. Niemand dürfe für Recherchen, für Worte eingesperrt werden. „Diese Menschen müssten frei sein – damit wir über die Texte streiten können. Straftäter wie Erdoğan hingegen sollten durchaus bestraft werden“, schloss er. Der Applaus der etwas 400 Gäste – etliche davon im Foyer des Haus am Dom, wohin die Lesung aufgrund des massiven Andrangs übertragen wurde – zeugte von großer Zustimmung. So vielfältig wie die vorgetragenen Texte, ausgewählt von Moderatorin Doris Akrap („taz“), erschien der Zugang aller Vorlesenden an diesem Messesamstag.

Der letzte Beitrag kam von Yonca Şık. Sie verlas einen Ausschnitt aus der Verteidigungsschrift ihres Mannes Ahmet Şık – „es steht zwar ‚Verteidigungsschrift’ darüber, aber es handelt sich um eine Anklage“. Er ist ebenfalls Journalist und wie Deniz Yücel in der Haftanstalt Silivri inhaftiert. „Ich habe Deniz gesehen, als ich zuletzt meinen Mann besucht habe“, berichtete Şık. „Ich habe es sogar geschafft ihm heimlich zuzuwinken, obwohl das eigentlich verboten ist. Er sah sehr stark aus. Und diese Veranstaltung hier wird ihm noch mehr Stärke geben.“ Es wäre gut, wenn Yonca Şık recht behält.

Die vorgelesenen Texte stammen aus der „taz“ und der „Welt“ sowie aus Buch „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus).

Deniz Yücel ist im Februar 2017 in der Türkei verhaftet worden, seither sitzt er in Untersuchungshaft. Dem deutsch-türkischen Journalisten werden „Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“ vorgeworfen. Seit seiner Inhaftierung hat es seitens deutscher Politiker immer wieder Bemühungen um seine Freilassung gegeben – bisher ohne Erfolg.

Auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels setzte sich im Rahmen der Aktion #freewordsturkey gemeinsam mit dem PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen für das Thema Meinungsfreiheit in der Türkei ein: „Die Freiheit des Wortes ist ein Menschenrecht und nicht verhandelbar. Die Politik muss dieses Recht kompromisslos vertreten, sie darf es nicht aufgrund von Nützlichkeitserwägungen auf Spiel setzen“, so Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. Ende Februar konnte die Petition für Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit in der Türkei mit 140 000 Unterschriften an den Regierungssprecher Steffen Seibert übergeben werden.