Situation der Computerbuchverlage

Der Markt hat noch Lücken

4. Mai 2017
von Tamara Weise
Computerbuchverlage kennen sich mit Digitalisierungstrends bestens aus – und wenden sich an ein Millionenpublikum. Das allgemeine Sortiment bleibt trotzdem vorsichtig.

Die Digitalisierung lässt keinen kalt, schon gar nicht die Computerbuchverlage. In einer Zeit, in der sich Hochleistungsrechner sogar ums Handgelenk binden lassen, versorgen die Medienhäuser Millionen von Softwareentwicklern, Hardware-Profis und Netzwerkspezialisten mit Informationen. Von den Protagonisten der Industrie 4.0 bis zum Privatanwender: Alle brauchen Know-how – und Computerbuchverlage liefern es ihnen, sowohl gedruckt als auch digital.

Konsolidierung und Neuanfang 

Trotzdem zog zwischen 2013 und 2015 ein regelrechtes Sturmtief über die Computerbuchverlage hinweg: Zuerst verschwanden Addison Wesley und Markt + Technik, dann Data Becker und die Open Source Press, es rumpelte bei Sybex und der Mircrosoft Press; Markt + Technik kehrte schließlich unter neuer Führung zurück. Bei mitp kam es zum Management-Buy-out und O’Reilly wechselte unter das Dach von dpunkt. Mittlerweile jedoch ist die Konsolidierungsphase vorbei – und die verbliebenen Computerbuch­verlage trainieren für einen neuen Aufschwung.

Dass sie dafür den Buchhandel brauchen, wissen sie. Und legen deshalb auch viel Wert auf gute Beziehungen. Stephan A. Effertz, Geschäftsführer des Rheinwerk Verlags und damit auch Chef des Imprints Vierfarben, sagt ohne Umschweife: "Ganz überzeugt betreiben wir einen hohen vertrieblichen Aufwand, um unsere Partner in ihrer wertvollen Sortimentsarbeit zu unterstützen" – etwa mit Aktionen. Wie viel Umsatz der Verlag dank dieser Unterstützung einspielt, lässt Effertz zwar offen, betont aber, dass Rheinwerk nach wie vor flächendeckend vertreten sei. "Der stationäre Buchhandel spielt für uns eine unverändert große Rolle, nirgendwo sonst steht das Verlagsprodukt so unmittelbar und vollständig erfahrbar in der Welt."

Allerdings bewegt sich auch Rheinwerk, genau wie die meisten anderen Computerbuchverlage, in erster Linie in der Welt der Filialisten. Die großen Händler räumen den IT-Themen in ihren Läden heute zwar meist weniger Platz ein als noch vor fünf oder sechs Jahren, sind mit ihren Abteilungen aber weiterhin ein Marktgewicht.

Unabhängige halten sich zurück 

Kritisch wird es für Computerbuchverlage indessen, wenn sie abseits der Buchhandels­ketten stationäre Kontakte knüpfen wollen: Viele Spezialbuchhandlungen haben aufgegeben oder ihr Geschäft ins Web verlagert – und bei inhabergeführten Sortimenten bleiben Software-Titel mittlerweile weitgehend außen vor. Selbst in mancher mittelgroßen Buchhandlung ist das klassische IT-Regal kaum noch zu finden. "Für uns hat sich das Thema im Grunde in Wohlge­fallen aufgelöst", erklärt zum Beispiel Adolf Wolz jun., Chef des ­Minifilialisten Schöningh in Würzburg. Vieles laufe bei diesem Themenkreis über die bekannten Onlinekanäle – "Programmierer finden nicht mehr den Weg zu uns" (siehe Umfrage unten).  

Die Computerbuchverlage bedauern das und würden die Lage zweifellos gerne ändern, machen sich davon aber nicht abhängig. Zumindest scheinen sie sich bei der Programm­planung 2016 wieder etwas mehr zugetraut zu haben: Mit Blick auf das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) und die Zahl der Hardcover-Novitäten zeigte die Kurve bei der Titelproduktion im vergangenen Jahr erstmals wieder deutlich aufwärts (Grafik links, grüne Linie), auch die Preise zogen an.

Die Umsatzzahlen können mit den Hoffnungen der Programm­macher allerdigns noch nicht mithalten: Media Control zufolge hat das Segment Informatik / EDV, also die Warengruppe 63, insgesamt etwas an Schwung verloren – der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum sank innerhalb der ersten 16 Wochen des Jahres 2017 (bis Ende April) um 5,8 Prozent.

Gefragte Einsteigerliteratur 

Hinzu kommt, dass sich an der Spitze des Markts vieles auf Standardthemen konzentriert. Laut einer Analyse von GfK Entertainment verkaufen sich im Moment vor allem jene Titel gut, die Einsteigern auf die Sprünge helfen – etwa bei Windows 10, Excel und Outlook, bei der Nutzung von WhatsApp und dem mobilen Betriebssystem Android.

Das mag nicht weiter verwundern, zeigt jedoch, dass Fachbücher, die die Verlage zu den großen aktuellen Themen entwickeln – zu Fragen der Programmierung, zu digitalem Marketing oder neuen Geschäftsmodelle – , aus Nachfragesicht weiter nach hinten rutschen. 

Welche Pläne Computerbuchverlage jetzt haben, wie sie mit Nischenthemen umgehen und Buchhändler für ihre Programme begeistern wollen: Darüber hat das Börsenblatt mit fünf Unternehmen gesprochen – mit Rheinwerk, dpunkt, Markt + Technik, mitp und Springer Nature. Die wichtigsten Ergebnisse, Verlag für Verlag:   

  • Rheinwerk aus Bonn sieht sich mit rund 500 lieferbaren Titeln, jährlich knapp 165 Novitäten und der SAP Press unter dem Dach als Nummer 1 am Markt und bedient dabei zwei Schienen: Unter dem Namen Rheinwerk (vor dem Namensstreit 2015: Galileo Press) werden Bücher für Experten und ambitionierte Hobbyanwender veröffentlicht, unter anderem zu Programmierung, Webtechnologien und Grafiksoftware – während das Imprint Vierfarben, 2010 gegründet, sich an Leser richtet, die den Einstieg in digitale Themen suchen. Dass die Zielgruppen so heterogen sind, ist für den Verlag ein Gewinn: Schwankungen lassen sich besser ausgleichen, zudem steigt – vom Vertrieb entsprechend unterstützt – auf diese Weise die Chance, auch im Buchhandel hohe Marktanteile zu erreichen. Was offenbar klappt: 17 der 25 meistverkauften Computer-Titel im ersten Quartal kommen von Rheinwerk oder Vierfarben.   
  • Springer Nature hat, ähnlich wie Rheinwerk, ebenfalls nur bedingt etwas von der Konsolidierungswelle mitbekommen (ca. 800 lieferbare IT-Titel, etwa 80 Neuerscheinungen und Neuauflagen pro Jahr). Alles beim Alten ist aber auch hier nicht: "Wir stellen eine Professionalisierung der Professionals fest", sagt Hermann Engesser, Programmleiter Elektrotechnik, IT und Informatik sowie Chefredakteur der Zeitschrift "Informatik-Spektrum". Bücher produkt- oder versions­bezogen anzulegen, sie "Mut zur Typografie" oder "Keine Angst vor …" zu nennen, sei absolut out, meint er – ­Springer Nature konzentriere sich deshalb eher auf prozessbezogene Buchtitel, schwerpunktmäßig beispielsweise auf die Trend­themen Industrie 4.0, IT-Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Es damit flächendeckend in die Läden zu schaffen, ist erwartungsgemäß schwierig; Bianca Herzog, Global Director Trade Sales bei Springer Nature, bedauert das – weil sie findet, dass sich der stationäre Handel gerade beim Fachbuch "mit guter Beratungskompetenz profilieren" könnte. "Mein Wunsch wäre, dass der Buchhandel in Sachen Fachbuch doch wieder etwas mutiger wird."
  • dpunkt aus Heidelberg, angeschlossen an den IT-Fachverlag Heise, fährt mehrgleisig; der Verlag veröffentlicht unter seinem Gründungsnamen, zusätzlich hat er als Imprints Cisco Press, Microsoft Press und O'Reilly an Bord. IT-Titel im engeren Sinn sind derzeit laut Geschäftsführer Michael Barabas rund 500 lieferbar (Novitäten pro Jahr: ca. 60 bis 70), wobei es inhaltlich kaum Grenzen gibt – auch vergleichsweise softe Themen wie die Programmiersprache Scratch für Kinder und Jugendliche haben bei dpunkt Platz: "Speziellere Fachbücher, die sich nicht an ein breites Publikum wenden, haben es im stationären Handel schwer", so Barabas.
  • mitp musste sein Programm nach der Abspaltung von Hüthig Jehle Rehm (Süddeutscher Verlag) 2014 neu aufbauen; dem geschäftsführenden Gesellschafter Stefan Dralle zufolge arbeitet der Verlag unter hohem Tempo: "Wir müssen bei Trends schnell reagieren können." Er hat wieder fast 300 Titel im Portfolio, die künftig auch im Buchhandel wieder eine größere Rolle spielen sollen. "Wir haben im Buchhandel viele Federn gelassen, trotzdem sehe ich nach wie vor die Vorteile", so Dralle. Leider werde IT im Sortiment noch zu oft als Nebenbeigeschäft behandelt.
  • Markt + Technik, 2013 von Pearson dicht gemacht, fand 2014 mit der Familie Braun neue Inhaber und versucht nun, Schritt für Schritt wieder in Form zu kommen. 100 Titel für private Anwender sind nach Angaben von Programmleiter Burkhardt Lühr jetzt lieferbar, demnächst soll es auch wieder Bücher für Profis geben. Lühr, der früher jahrelang und mit Verve bei Thalia Campe in Nürnberg die Computerbuchabteilung organisierte, setzt dabei auf seine ehemaligen Kollegen. Sein Versprechen an den Buchhandel: "Mit IT-Büchern lässt sich gutes Geld verdienen."

Umfrage im Buchhandel: Welche rolle spielen Computerbücher?

Martina Riegert, Riemann in Coburg:

"Wir verkleinern unser Angebot zu Computerthemen, denn die Umsatzentwicklung lässt im Moment gar nichts anderes zu. Auch von Fachleuten, die auf diesem Feld beruflich tätig sind, gibt es in unserer Buchhandlung keine große Nachfrage."

Peter Peterknecht, Peterknecht in Erfurt:

"Wir haben die Computerbuchabteilung schon vor Jahren reduziert und fahren gut damit. Für alles andere fehlt schlicht die Nachfrage: Zwei Regalbretter mit Büchern für Einsteiger genügen uns. Profis, die nach IT-Fachbüchern suchen, kommen nicht zu uns." 

Adolf Wolz jun., Schöningh in Würzburg:

"Programmierer finden nicht mehr den Weg zu uns – früher, als wir noch die Campus-Filiale hatten, war das anders. Für uns hat sich das Thema im Grunde in Wohlgefallen aufgelöst: Vieles läuft bei diesem Themenkreis über die bekannten Onlinekanäle."