"Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug", schreibt Franz Kafka. So sehen einige auch den Buchhandel. Darum handhaben sie ihn wie ein Fahrzeug – kostengünstig und reibungslos. Und um Kosten zu sparen, was ja immer richtig ist, wird bei den Strukturkosten angesetzt, da sie in zwar kleinen, aber regelmäßigen Beträgen zu Buche schlagen. Analog zu diesen Geldfressern erscheinen dann andere Prozesse und Routinen als Zeitfresser.
Die Kosten werden in Euro und Zeit gemessen, dagegen ist die Maßeinheit für die spezifischen Erträge solcher Strukturen und Prozesse zumeist unbekannt. Im Buchhandel gibt es zahlreiche Routinen, die bloß noch als Strukturkosten erscheinen – scheinbar ohne Gegenwert. Nehmen wir hier die Bücherbörse einmal als Beispiel.
Zweimal im Jahr treffen sich von Hamburg bis München Buchhändler mit den Verlagsvertretern, in Friedberg in der Stadthalle, in Oberhausen auf einer Burg. Die Börse ist neben der Buchmesse die einzige Form des Gemeinschaftshandelns der Branche – ein Public Buying, das erfreut und befreit. Alle sind gut vorbereitet, denn man hat zu Hause, mit Blick auf die Börse, die Programme gesichtet.
Bei der Börse selbst ist es dann umgekehrt, die eigene Buchhandlung ist fern. So zwingt die Börse auch dazu, sich von der Buchhandlung und Kunden eine klare Vorstellung zu machen. Dieser Vorstellung muss der Einkauf folgen. In diesem Aus-der-Entfernung-in-den-Blick-Nehmen wird klar, welche Bücher dorthin gehören und welche nicht. Es wird eben nicht, wie man meinen könnte, auf Verdacht, sondern mit Bedacht eingekauft.
Diejenigen, die die Börsen als veraltete Konvention abtun, verkennen ihren sanften Zwang zur Pragmatik. Denn die Bücherbörse fördert ein systematisches und effizientes Abarbeiten. Wenn man mit der Börse durch ist, dann ist zugleich die Halbjahresproduktion der Verlage in den Blick genommen, sie ist ausgewertet und kann gesamthaft bilanziert werden. Die Arbeit vor der Börse ist strukturiert, die Zeit danach entlastet. Die Börse ist damit ein wichtiges Instrument der Branche.
Die zahlreichen Routinen der Branche, für die die Bücherbörse nur ein Beispiel ist, sind im Grunde gut vergleichbar mit dem Abo. Ein Abo entlastet von der stets neu zu treffenden Einzelentscheidung. Die Verlässlichkeit der Erscheinungsweise einer Zeitschrift korrespondiert mit der leichten Nötigung zur Strukturiertheit.
Von außen (und diese Sicht ist in der Branche inzwischen chronisch) erscheint all das dann so, als blättere man durch die Vorschau, weil die Vorschau kommt, ginge auf eine Börse, weil sie zweimal im Jahr stattfindet, spreche mit Vertretern, weil sie sich zum Termin angemeldet haben. Das ist ungefähr so absurd wie die Behauptung, dass man Auto fahren könne, weil man einen Führerschein besitzt.
Die Börse ist ein Ort der Wertschöpfung wie das Gespräch der Buchhändler mit ihren Kunden. Eine Wertschöpfung, die in den Routinen der Sichtung der Vorschau oder Terminierung der Börsenbesuche ihre wesentliche Voraussetzung hat.
Diese Routinen sind es, die tief in unser Alltagshandeln eingelassen sind, so tief, dass sie kaum mehr auffallen. Es ist aber die zentrale Voraussetzung der Wertschöpfung der Branche, eine Vorschau durchzuarbeiten oder eine Börse zu besuchen.
Nur von außen betrachtet erscheint bald alles – die Liebe, die Kultur, die Branche – so unproblematisch wie ein Fahrzeug. Das Auto ist aber nur unproblematisch, wenn es in der Garage oder im Stau steht. Und Kafka erläutert sein Diktum, uns zu denken gebend, dann so: "Problematisch sind nur die Lenker, die Fahrgäste und die Straße."
Michael Schikowski ist freier Verlagsvertreter. Soeben erschien von ihm bei Bramann "Im Buchhaus. Wohnzimmer – Bücherei – Buchhandlung".