Meinungsfreiheit

"Man kann nicht schreiben, ohne sich die Hand zu verbrennen"

25. März 2017
Cornelia Birr
Mit einer Solidaritätsaktion für die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan setzt die Branche auf der Leipziger Buchmesse ein klares Zeichen für die Meinungsfreiheit. Erdogan steht stellvertretend für über 150 derzeit in der Türkei inhaftierte Journalisten, Schriftsteller und Verleger.

2008 hat sie die Leipziger Buchmesse noch selbst besucht. In diesem Jahr wird eine sichtlich gezeichnete Asli Erdogan live aus dem ZDF-Studio in Istanbul zum Blauen Sofa in der Kuppelhalle zugeschaltet. Die Türkei darf sie derzeit nicht verlassen.

Dies sei die schwierigste Phase ihres Lebens, berichtet die Autorin: „Ich schreibe doch nur. Ich habe nichts getan.“ Trotzdem droht ihr eine lebenslange Haftstrafe. Für ihre Mitarbeit in der pro-kurdischen Zeitung „Özgür Gündem“, deren Erscheinen im letzten Jahr eingestellt wurde, wird ihr Terrorismus vorgeworfen. Nach einer vorübergehenden Untersuchungshaft hat in der vergangenen Woche der Prozess gegen die Schriftstellerin begonnen.

Mit auf dem Blauen Sofa sitzen an diesem Donnerstagnachmittag Oliver Kontny, einer der Übersetzer von Erdogans auf der Messe vorgestelltem Essayband, und  Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Der findet angesichts der derzeitigen Lage klare Worte. Die Meinungsfreiheit sei die Existenzgrundlage nicht nur für Menschenrechte, sondern für die gesamte Buchbranche. „Die Türkei ist auf dem Wege zu einem totalitären Unrechtsstaat. In einer solchen Zeit ist Schweigen oder diplomatisches Leisetreten nicht angesagt. Wir müssen jetzt Haltung bewahren und uns engagieren.“ Der Börsenverein unterstütze die Arbeit der wenigen freien Zeitungen, die es in der Türkei noch gibt, deshalb mit Anzeigen. „Wir wollen den Leuten sagen, bleibt bei uns in Europa, wir denken an euch“, so Skipis.

Das Bild, das Asli Erdogan im Liveinterview von den Zuständen in ihrer Heimat zeichnet, ist beklemmend: „Wir haben viel Angst“, sagt sie. „Wer zur falschen Zeit etwas Falsches sagt, kommt ins Gefängnis.“ Tatsächlich warten derzeit etwa 150 Journalisten, Schriftsteller und Verleger, darunter Welt-Korrespondent Deniz Yücel, auf ihren Prozess. Darüber hinaus seien Tausende Akademiker, Richter und Menschen aus allen Lebensbereichen für die absurdesten Dinge angeklagt, berichtet Erdogan. Das Referendum, das am 16. April über eine Verfassungsreform in der Türkei entscheiden soll, sieht die Autorin pessimistisch: „Die Ja-Stimmen werden überwiegen.“ Ob sie Hoffnung auf eine Verbesserung der Zustände habe, fragt Moderator Daniel Fiedler die 50-Jährige.  „Die Hoffnung liegt in unseren eigenen Worten“, sagt sie. Man könne nicht schreiben, ohne sich die Hand zu verbrennen. „Unsere Hände, Arme, Haare brennen. Aber wenn ich nicht mehr schreiben würde, würde ich alles verlieren. Das ist keine Option.“

„Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“, heißt der Titel von Asli Erdogans neuem Essayband, der vor wenigen Tagen bei Knaus erschienen ist. Die rund 20 Texte über die Situation in ihrer Heimat seit dem gescheiterten Putsch sind in der Türkei zum Teil noch nicht veröffentlicht.