Livendo unter neuer Regie: Interview zum Eigentümerwechsel

"Ab 2017 werden wir das Sortiment erweitern"

11. August 2016
von Börsenblatt
Livendo, bislang ein Geschäftsbereich der Börsenvereinstochter MVB, wird zum 1. September an die Frankfurter Werkgemeinschaft verkauft. Wie soll sich das Service-Angebot für Buchhandlungen unter dem neuen Eigentümer, einem Träger der Behindertenhilfe, entwickeln? Antworten von FWG-Geschäftsführer Torsten Neubacher.

Was macht Livendo für die Frankfurter Werkgemeinschaft, kurz FWG, attraktiv?

Für uns ist es interessant, tiefer in die Wertschöpfungskette einzusteigen. Wir sind schon seit Jahren Dienstleister für die Börsenvereinstochter MVB und Livendo, kümmern uns um Lagerhaltung, Konfektionierung und Versand der angebotenen Tragetaschen, Geschenkpapiere, Deko-Materialien für Buchhändler. Mit der Übernahme haben wir die Chance, neben dem bewährten Livendo-Sortiment auch Produkte aus unseren Behindertenwerkstätten anzubieten.

Welche Produkte können Sie dem Buchhandel anbieten?

Zur FWG gehört zum Beispiel eine Druckerei – hier können wir künftig zum Beispiel individuell bedruckte Papiertüten produzieren. In unserer Töpferei entstehen handbemalte Espresso-Tassen und andere Geschenkartikel, die als Sortimentsergänzung vielleicht ebenfalls für den Buchhandel von Interesse sind. Außerdem können wir Produkte von rund 100 anderen Behindertenwerkstätten aus vier Bundesländern anbieten, die mit uns in einer Genossenschaft zusammengeschlossen sind. 

Für die Kunden aus dem Buchhandel wird sich durch den Verkauf also einiges ändern?

Bis zum Jahresende wird erst einmal alles so bleiben wie es ist. Unser oberstes Ziel ist es, für die Kunden aus dem Sortiment die gewohnten Abläufe reibungslos weiterzuführen – etwa die Zahlungsabwicklung über die BAG oder das Zusammenspiel mit den Warenwirtschaftssystemen. Kurzum: Wenn der Buchhandel den Eigentümerwechsel in den ersten Monaten kaum bemerkt, ist das für uns ein positives Zeichen. Läuft alles rund, werden wir dann 2017 nach und nach auf die Buchhandlungen zu gehen, das Sortiment vorsichtig erweitern und Dinge ausprobieren. Wir möchten nicht mit der Tür ins Haus fallen.

Hoffen Sie dabei auf einen Sympathiebonus durch Ihr soziales Engagement?

Ach wissen Sie: Wir haben viel Erfahrung, auch mit Kunden aus anderen Branchen. Und dabei zeigt sich, dass es erst einmal um den Preis und die zuverlässige Auftragsbearbeitung geht. Der soziale Aspekt ist sicher kein Wettbewerbsnachteil, aber für eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung reicht er alleine nicht aus.

Was ist Livendo Ihnen wert, rein finanziell betrachtet?

Über den Kaufpreis haben wir mit der MVB Stillschweigen vereinbart. Der Kaufvertrag umfasst den aktuellen Warenbestand von Livendo, das Recht auf die Nutzung der Marke und der Domain livendo.de.

Bleibt Livendo ein Shop für Buchhandlungen - oder nehmen Sie auch andere Einzelhandelsbranchen in den Blick? Bei Tüten und Geschenkpapier könnte das ja nahe liegen...

Das wäre durchaus denkbar. Wir arbeiten für viele verschiedene Kunden und Branchen, gerade an der Schnittstelle von EDV-Dienstleistungen und Versand. Weil wir derzeit mit unseren Lagerkapazitäten in Frankfurt an Grenzen stoßen, eröffnen wir 2017 einen neuen, größeren Standort im Stadtteil Fechenheim. Dann wird das Versandgeschäft sicher noch mal interessanter.

Über die FWG

  • Die Frankfurter Werkgemeinschaft, 1967 als gemeinnütziger Verein gegründet, ist Träger ambulanter, teilstationärer und stationärer Angebote der gemeindepsychiatrischen Arbeit und korporatives Mitglied im Caritasverband der Stadt Frankfurt.

  • In den Consors-Betrieben WfbM, einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderung, ermöglicht die FWG Menschen mit psychischen Erkrankungen den Einstieg ins Berufsleben. Für manche ist es eine Rückkehr in die Arbeitswelt, für andere die erste berufliche Qualifizierung.

  • Neuzugang Livendo wird in die Consors-Betriebe integriert, die aktuell rund 230 Arbeitsplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen bietet – in einer Druckerei, in einer Töpferei und rund um EDV-Dienstleistungen, Lagerhaltung und Versand. Die FWG macht rund 12 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Weitere Informationen unter fwg-net.de.