Literaturkritik

Blogger sorgen für Frischekur

19. Februar 2016
Redaktion Börsenblatt
"Quo vadis, Literaturkritik?" wird hier und da wieder getitelt. Es scheint Zeit für dramatische Fragestellungen. Die Literaturkritik beklagt nämlich Verluste, ihr Untergang könnte einmal mehr bevorstehen.

Der "Perlentaucher" zählte 2001 noch 6. 680 Buchkritiken, 2014 waren es nur noch 3 .372 (2015 allerdings wieder einige mehr). Beim "Perlentaucher" beginnt Kritik bei 60 Zeitungszeilen, zählt man kürzere Texte mit, fällt das Ergebnis weit weniger dramatisch aus. Wobei sich die Literaturkritik mit Literaturtipps aber ja nicht retten kann. Es geht um professionelle Literaturkritik, die braucht Raum. "Ich gebe keine Buchtipps", sagt Sigrid Löffler ausgerechnet im Interview mit der Literaturbloggerin Mara Giese (Buzzaldrins Bücher). Sie, Sigrid Löffler, sei – im Gegensatz zu, zum Beispiel, nebenberuflich bloggenden Frauen (wie Mara Giese) – Kritikerin, keine Warenausruferin.

Verkehrte Welt. Gibt es doch diverse Profis, die auch Literaturtipps geben, Blogs, die ausführliche und differenzierte Kritiken veröffenlichen und ein "Literarisches Quartett", das sich manchmal anhört, wie sich manche Literaturblogs lesen. Professionelle Literaturkritik versus Hobbyrezensent? Das ist zu kurz gesprungen. Eher noch könnte sich ein Generationenkonflikt auftun. Wer traut wem auf welcher Basis?

Für die, die sich einem Blog anvertrauen wollen, ist die Auswahl jedenfalls groß, zumindest, wenn sie sich für Fantasy und Liebesromane interessieren. Etwa 200 Literaturblogs sind (mehr oder weniger) aktiv. Klar, oft werden da nur Girlanden um Klappentexte gerankt. "Toll", "großartig", "hat mich berührt" – die Urteile fallen eindeutig und positiv aus. Sieh, wer schreibt. Alles Vertrauenssache. Und: Auch professionelle Literaturkritiker gehen mittlerweile unter die Blogger. Sieht aus, als wäre der Untergang der Literaturkritik mal wieder abgesagt. Weniger im gedruckten Feuilleton wird durch viel, viel mehr in Literaturblogs kompensiert. Schön bunt ist das.