Lesung und Gespräch im Schauspiel Frankfurt

Houellebecqs Bühne

12. Oktober 2017
von Börsenblatt
Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq füllt in Deutschland Säle. Im Schauspiel Frankfurt konnte man gestern Abend seiner Audienz im Rahmen des Gastlandauftritts "Francfort en français" beiwohnen.

Michel Houellebecq ist nicht nur einer der bedeutendsten Schriftsteller Frankreichs, sondern auch ein Kultautor. Wenn sich, wie bereits Monate vor der Buchmesse, herumspricht, dass Michel Houellebecq während der Buchmesse im Schauspiel Frankfurt erscheint, dann sind die Karten binnen kürzester Frist ausverkauft.

Gestern Abend war es dann so weit: Im bis auf den letzten Platz besetzten großen Saal des Schauspiels trat zunächst Literaturhaus-Leiter und Gastgeber Hauke Hückstädt vor das gespannte Auditorium, um ein paar Begrüßungsworte an die Zuhörer zu richten – mit dem Versprechen, gleich zu verschwinden und die Bühne für Houellebecq freizumachen.

Applaus für den Autor, der mit leichter Verzögerung, nach 30 quälenden Sekunden, endlich das Podium betritt – in einem Look, der in gewisser Weise zum Markenzeichen geworden ist: Ein weiter grüner Anorak mit Pelzkragen, den er über seinen Stuhl hängt, blaue Jeans und blaues Hemd, graues, leicht gelichtetes Haupthaar. Darunter der intensive, manchmal lauernde Blick eines Menschen, der es gewohnt ist, die Regie zu übernehmen und sich Konventionen zu entziehen.

So spricht er nicht, wie das übergroße Buchcover in seinem Rücken ankündigt, über seinen Roman "Unterwerfung", sondern über das Verhältnis der deutschen zur französischen Kultur, über Europa, über die wichtige Rolle der Übersetzungen, über die Förderung von Film, Musik und Kunst und vieles mehr. Houellebecq ist in Gesprächslaune und plaudert über seine Germanophilie, über den intransparenten Literaturbetrieb, über Macron (der vielleicht der Richtige ist), über die Dominanz des Romans – zwischendurch immer wieder einen Zug aus seiner E-Zigarette nehmend. (Das Gespräch übersetzt Marianne Crux in den Sprechpausen). Julia Encke, Literaturchefin der "FAS" und Moderatorin des Abends, bedankt sich für das Gespräch. Es sei ein Kompliment für das Publikum, dass er eine Stunde gesprochen habe – bei Houllebecq wisse man nie, was passieren wird.

An den Monolog schließt sich ein Interview an, das die in Paris-Nanterre lehrende, mit Houllebecq vertraute Literaturprofessorin Agathe Novak-Lechevalier mit ihm – dieser "einzigartigen Gestalt in der zeitgenössischen Literaturlandschaft" – führt. Unter anderem über die Frage, ob er sich immer noch als Poet, als Lyriker, bezeichne. Houellebecq: Da habe er sich verändert, der Roman sei ihm wichtiger geworden, für ihn als Leser sogar unentbehrlich.

Viel Beifall gab es anschließend für Wolfram Kochs Lesung aus "Unterwerfung", und ganz zum Schluss trug Agathe Novak-Lechevalier noch ein Gedicht Houellebecqs vor. Zuletzt ist auf Deutsch bei Dumont Houellebecqs Essay "In Schopenhauers Gegenwart" erschienen. Darin schildert er, wie ihn der deutsche Philosoph, seit der ersten Lektüre im Alter von 26 Jahren, beeinflusst hat.

roe