Kundentagung der Arvato-Auslieferung VVA in Berlin

Bücher im Stau

4. Dezember 2017
von Börsenblatt
Am 30. November und 1. Dezember fand in Berlin die traditionelle Kundentagung der Vereinigten Verlagsauslieferung (VVA) statt. Dabei ging es um Lieferengpässe, Bestellmengen und jüngste Entwicklungen an den verschiedenen Standorten der VVA. 

Wie bestellt und nicht abgeholt: Diese Redensart beschreibt derzeit einen Teil der Lage im Gütersloher Warenausgang der Vereinigten Verlagsauslieferung VVA. In der Spitze mehr als 3.000 Paletten warteten dort VVA-Chef Stephan Schierke zufolge darauf, dass sie auf einen Sattelzug verladen und zugestellt werden können. "Wir haben einen Rückstau teilweise bis in den Kommissionierbereich hinein", berichtete Schierke jetzt vor 50 Verlagskunden anlässlich der traditionellen VVA-Kundentagung in Berlin.

Der überwiegende Teil des Problems hat einen Namen, den Schierke nicht nannte, auch nicht nennen musste: Denn jeder verstand, dass es sich nur um Amazon handeln konnte. Der größte Buchhändler Deutschlands hat in seinen Lägern offenkundig Engpässe in der Anlieferung, Lkw warten oft viele Stunden trotz  eines zugeteilten Slots. Transportführer weigern sich mittlerweile, einzelne Standorte überhaupt noch anzufahren. Acht Läger seien derzeit gesperrt, so Schierke, weil die Zustellung "faktisch unmöglich" sei – ein Problem, dass die Logistiker der Branche seit längerem kennen, ohne es öffentlich zu diskutieren. (Schwierigkeiten, die mit Amazon zusammenhängen, werden öffentlich bisweilen ungern diskutiert.)

Unter Gesichtspunkten logistischer Effizienz zusätzlich ungünstig wirkt sich die Verteilung der durchschnittlichen Bestellmengen pro Händlertypus aus. Schierke zeigte erstaunliche Zahlen. Denen zufolge bringen es allgemeine Sortimente und Groß-Buchhändler auf 7,1 beziehungsweise 7,3 Exemplare pro Position, Barsortimente liegen in einer Range zwischen 11 und 25, Online-Buchhändler indes warten mit einem Durchschnittswert von nur 3,8 Exemplaren pro Position auf.

Die Gütersloher Logistiker haben für das akute Zustellproblem einen Krisenstab gebildet – um den Status des Warenausgangs zu überwachen, um alternative Zustellwege zu prüfen, um Warenrückflüsse zu koordinieren. Denn fest steht: Ein Belieferungsversuch, der scheitert, kostet den Auftraggeber, also den Verlag, viel Geld. Also versucht man so gut es geht, teure Rückläufe zu vermeiden.

Rückblickend auf das Gesamtjahr berichtete Schierke von einer Mengenentwicklung, die zwar in den ersten sieben Monaten unter Vorjahr gelegen habe, die sich aber seit dem Herbst deutlich belebe. "Wir fahren wegen plötzlich hohen Bestellaufkommens dieses Jahr bereits seit Oktober im Drei-Schicht-Betrieb, das ist schon ungewöhnlich."

Zu den Gepflogenheiten der alle zwei Jahre stattfindenden Kundentagung, zu der diesmal ins berühmte Hotel Adlon Kempinski in der Dorotheenstadt eingeladen worden war, gehört ein Update über jüngere Entwicklungen an den verschiedenen Standorten der VVA und des Verlegerdienstes München (VM). So konnte Schierke aus Gilching von ersten branchenfremden Kunden berichten (der größte unter ihnen ist ein "bedeutender Kaffeekapselhersteller"). In Verl wachse der Spielwarenbereich. Und am ostwestfälischen Hauptsitz in Gütersloh direkt an der A 2 steuern die Bertelsmänner auf einen Rekordbau zu: Dort soll im Frühjahr 2018 eine neue Multifunktionshalle fertig werden, die dann "das höchste manuell bedienbare Lager Deutschlands sein wird", so Schierke – der hörbar Freude hatte an den Raummaßen von 140 Metern Länge, 35 Metern Breite bei einer Höhe von 19,3 Metern. Und für die eher literarisch als kubisch Orientierten im Publikum hatte der VVA-Chef eine starke Vorstellungshilfe parat: "Wenn Sie die Halle ganz mit Wasser füllen wollten, kämen Sie auf eine Wasserrechnung von 175.000 Euro."

Abends dann folgte ein festliches Dinner im Lichthof des Berliner Museums für Kommunikation. Dort durften die Tagungsteilnehmer, die zuvor von dem Kölner Digital-Experten Klemens Skibicki über eine für den digitalen Strukturwandel notwendige "mentale Transformation" in Unruhe versetzt worden waren, beim Betrachten alter Telefone und wertvoller Briefmarken sentimental entspannen und einer offenen Zukunft ein Stück geschlossene Vergangenheit hinzufügen. Im ältesten Postmuseum der Welt lässt sich besonders intensiv empfinden, welches Tempo der kommunikationstechnische Fortschritt aufgenommen hat. Gar nicht mal so alte Gäste standen vor den Exponaten, um festzustellen, dass der tägliche Gebrauch dieser Ausstellungsstücke ihnen selbst noch vertraut war.

cas