Kritik an der Jury der "Sachbücher des Monats"

NDR Kultur geht auf Distanz

12. Juni 2017
Redaktion Börsenblatt
Es rumort in den Feuilletons – seitdem bekannt wurde, dass es Rolf Peter Sieferle auf die neue Sachbuch-Bestenliste geschafft hat. NDR Kultur distanziert sich jetzt von der Jury-Entscheidung, will die "Sachbücher des Monats" bis auf weiteres nicht mehr veröffentlichen: Rechtslastige Verschwörungstheorien hätten hier nichts zu suchen.

Nach Einschätzung des Senders äußert der Historiker Rolf Peter Sieferle in seinem Buch "Finis Germania" rechtslastige Verschwörungstheorien – „von denen sich NDR Kultur entschieden distanziert“, heißt es in einer Pressemitteilung aus Hamburg. Der Titel, im Februar posthum im Antaios Verlag in Schellroda erschienen, sei "nicht tragbar". 

Barbara Mirow, Leiterin von NDR Kultur, betont, dass sie das Votum der Jury für eine gravierende Fehlentscheidung hält – die sie bedauert. "Bis zur vollständigen Aufklärung der Frage, wie es zu der für uns nicht akzeptablen Empfehlung der Jury kommen konnte, setzen wir die Zusammenarbeit mit der Jury aus", erklärt sie. "Die 'Sachbücher des Monats' werden von NDR Kultur bis auf weiteres nicht mehr veröffentlicht." 

Link zur Sachbuch-Bestenliste bei NDR Kultur

"Wir akzeptieren keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung"

Die "Süddeutsche Zeitung", zweiter großer Partner der Bestenliste, versuchte bereits gestern auf ihrer Website zu erklären, wie es dazu kommen konnte, wie die Jury abstimmt (ohne gemeinsame Aussprache) – dass aber am Ende weder für das Publikum noch für die einzelnen Juroren am Ende erkenntlich sei, wer für welches Buch votiert hat – warum ein Buch überhaupt Eingang auf die Liste fand.

Die Süddeutsche zitiert auch den Jury-Vorsitzenden Andreas Wang, bevor er 2010 in den Ruhestand ging, war er leitender Redakteur bei NDR Kultur. "Die Jury der Sachbuchbestenliste ist ganz und gar nicht glücklich über die Platzierung des Buches von Sieferle auf unserer Liste", sagte er der Zeitung. Sie sei durch die Akkumulation von Punkten eines Mitglieds der Jury zustande gekommen – dabei herrsche Einigkeit, dass jedes Jurymitglied frei sei, seine Meinung durch die Vergabe von Punkten kundzutun. Wang stellt jedoch auch fest: "Wir akzeptieren keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung." 

Wang geht es darum, die Lage zu beruhigen - erwägt dabei einen harten Schnitt. Über die "Süddeutsche" ruft er den Juror oder die Jurorin, von dem die Platzierung stammt, zum Rücktritt auf. "Im Übrigen werden wir das Verfahren der listenmäßigen Platzierung derart erneuern, dass keine Platzierung eines einzelnen Mitglieds der Jury möglich ist."

Update 17:30 Uhr: Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll der "Spiegel"-Kulturredakteur Johannes Saltzwedel das umstrittene Buch auf die Sachbuch-Bestenliste gesetzt haben. Er hat inzwischen die Jury verlassen.

Die Bestenliste "Sachbücher des Monats" (Top10) ist eine Initiative von NDR und Süddeutscher Zeitung. Welche Titel für die Liste ausgewählt werden, entscheiden 25 unabhängige Juroren. Dem Gremium gehören Wissenschaftler sowie Autoren und Redakteure großer Medienunternehmen in Deutschland an, darunter etwa die "FAZ", "Die Welt", "Der Spiegel", "Die Zeit" und der Deutschlandfunk. Auch boersenblatt.net veröffentlicht die Liste.