Nach Einschätzung des Senders äußert der Historiker Rolf Peter Sieferle in seinem Buch "Finis Germania" rechtslastige Verschwörungstheorien – „von denen sich NDR Kultur entschieden distanziert“, heißt es in einer Pressemitteilung aus Hamburg. Der Titel, im Februar posthum im Antaios Verlag in Schellroda erschienen, sei "nicht tragbar".
Barbara Mirow, Leiterin von NDR Kultur, betont, dass sie das Votum der Jury für eine gravierende Fehlentscheidung hält – die sie bedauert. "Bis zur vollständigen Aufklärung der Frage, wie es zu der für uns nicht akzeptablen Empfehlung der Jury kommen konnte, setzen wir die Zusammenarbeit mit der Jury aus", erklärt sie. "Die 'Sachbücher des Monats' werden von NDR Kultur bis auf weiteres nicht mehr veröffentlicht."
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"Wir akzeptieren keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung"
Die "Süddeutsche Zeitung", zweiter großer Partner der Bestenliste, versuchte bereits gestern auf ihrer Website zu erklären, wie es dazu kommen konnte, wie die Jury abstimmt (ohne gemeinsame Aussprache) – dass aber am Ende weder für das Publikum noch für die einzelnen Juroren am Ende erkenntlich sei, wer für welches Buch votiert hat – warum ein Buch überhaupt Eingang auf die Liste fand.
Die Süddeutsche zitiert auch den Jury-Vorsitzenden Andreas Wang, bevor er 2010 in den Ruhestand ging, war er leitender Redakteur bei NDR Kultur. "Die Jury der Sachbuchbestenliste ist ganz und gar nicht glücklich über die Platzierung des Buches von Sieferle auf unserer Liste", sagte er der Zeitung. Sie sei durch die Akkumulation von Punkten eines Mitglieds der Jury zustande gekommen – dabei herrsche Einigkeit, dass jedes Jurymitglied frei sei, seine Meinung durch die Vergabe von Punkten kundzutun. Wang stellt jedoch auch fest: "Wir akzeptieren keine Instrumentalisierung dieser Liste durch gezielte Platzierung."
Wang geht es darum, die Lage zu beruhigen - erwägt dabei einen harten Schnitt. Über die "Süddeutsche" ruft er den Juror oder die Jurorin, von dem die Platzierung stammt, zum Rücktritt auf. "Im Übrigen werden wir das Verfahren der listenmäßigen Platzierung derart erneuern, dass keine Platzierung eines einzelnen Mitglieds der Jury möglich ist."
Update 17:30 Uhr: Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll der "Spiegel"-Kulturredakteur Johannes Saltzwedel das umstrittene Buch auf die Sachbuch-Bestenliste gesetzt haben. Er hat inzwischen die Jury verlassen.
Die Bestenliste "Sachbücher des Monats" (Top10) ist eine Initiative von NDR und Süddeutscher Zeitung. Welche Titel für die Liste ausgewählt werden, entscheiden 25 unabhängige Juroren. Dem Gremium gehören Wissenschaftler sowie Autoren und Redakteure großer Medienunternehmen in Deutschland an, darunter etwa die "FAZ", "Die Welt", "Der Spiegel", "Die Zeit" und der Deutschlandfunk. Auch boersenblatt.net veröffentlicht die Liste.
Zum einen hat man einen Titel auf die Liste gebracht, der normalerweise nie dort hingehört hätte - und somit eine Anerkennung und ein Zeichen der Akzeptanz erfahren.
Zum zweiten hat man eine enorme PR für sich und sein Buch erhalten.
Und zum Dritten hat man offenbar auch noch geschafft, mit einem Schlag die gesamte Sachbuch-Kritikerzunft samt ihrer sie unterstützenden Medienpartner als Teil eines Meinungskartells darzustellen, die man nun mit dieser Diskussion entlarvt hätte.
Ich bin total dagegen, wegen des reichlich böswilligen Aushebelns dieser offenbar unklugen Jury-Mechanik gleich die ganze Sachbuch-Kritik in Misskredit zu bringen und finde, dass ein Ende der Sachbuch-Bestenliste der größte Gefallen wäre, die man den fakten- und feuilletonfeindlichen Rechtsextremen tun könnte.
Liebe KollegInnen beim NDR und der SZ: Verbessert die Jury-Mechanik, aber begrabt nicht die Liste!
Die Sachbuch-Kritiker machen seit vielen Jahren in ihrer Auswahl eine tolle Arbeit - es wäre total unangemessen, sie jetzt in diesem schlechten Licht stehen zu lassen.