Krise bei Also Logistics und Weltbild

Zittern in Augsburg

19. August 2015
von Börsenblatt
Eine Rettung der insolventen Weltbildschwester Also Logistcs ist weiterhin nicht in Sicht. In einer Stellungnahme der Gesellschafterin Also Holding AG vom Dienstag wird der Betriebsrat erneut scharf angegriffen. Durch die Blockadehaltung hinsichtlich der seit neun Monaten geforderten Kündigungen habe der Betriebsrat „mit offenem Auge die Zukunft des Unternehmens verspielt“, heißt es von der Holding. Der Betriebsrat attackiert diese Darstellung als "Unsinn" und unterstellt Investor Walter Droege, die Verhandlungen zu hintertreiben.

"Als wir den Logistikteil des Weltbild-Verlages übernahmen, gingen wir davon aus, dass die ALSO Logistics Services GmbH nach einer Restrukturierung, die mit einem Personalabbau von über 100 Mitarbeitern verbunden gewesen wäre, auf einem wirtschaftlich vernünftigen Fundament stünde und eine Zukunft hätte", so die Holding in einer Stellungnahme, die an den Sachwalter ging.

Holding beharrt auf „radikaler Lösung"

Aktuell entsteht nach Informationen von boersenblatt.net jeden Monat durch die Leerschichten in Augsburg ein Verlust in Höhe von 1 Million Euro. Die Also Holding bezeichnet das Unternehmen als „Scherbenhaufen", allein "drastische Schritte", namentlich ein Personalabbau von 300 der 450 Stellen, die Kündigung der Betriebsvereinbarungen und ein Wechsel in den Logistiktarifvertrag könnten noch eine Grundlage für das Fortbestehen bilden – denn nur unter diesen Voraussetzungen, denen der Betriebsrat bis zum 1. September zustimmen soll, will die Holding in den aus der Insolvenz übernommenen Standort weiter investieren.

Ende Juli hatte der Verwaltungsrat der Holding beschlossen, dem Unternehmen keine weiteren Geldmittel zur Verfügung zu stellen, was zur Insolvenz der Deutschlandtochter geführt hatte. Inzwischen werden die Gehälter von der Arbeitsagentur beglichen – doch für die Fortführung des Geschäftsbetriebs sind Einschnitte unvermeidbar. „Diese Forderungen klingen auf den ersten Blick sehr hart. Aber die Situation erfordert sie. Wenn wir vor neun Monaten einen vernünftigen Weg hätten gehen können, wäre das Unternehmen heute nicht in diesem Zustand. Um es zu retten und zukunftsorientiert investieren zu können, müssen heute solch drastischen Schritte eingeleitet werden", schiebt die Holding den Arbeitnehmervertretern die Schuld in die Schuhe. Die Ansage an den Betriebsrat lautet: Entweder die Forderungen werden akzeptiert, oder der Betrieb wird geschlossen. „Unter diesen Umständen muss ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann sich genauestens überlegen, unter welchen Voraussetzungen er noch bereit wäre, weiteres Geld in so ein Unternehmen zu investieren", wird dies in der Stellungnahme formuliert.

Also Logistics soll nicht mehr für die Schwester Weltbild da sein

Ziel dieser Investitionen wäre es, für Drittkunden Elektroartikel (etwa Fernseher und Monitore) statt kleinteilige Ware wie Bücher, Kalender und CDs für die Schwesterfirma Weltbild Retail auszuliefern, heißt es aus Unternehmenskreisen. Bevor der Schalter umgelegt werden kann, wäre allerdings ein Umbau des Standorts notwendig. Welche Konsequenzen dies für die angeschlagene Buchhandelskette hätte, ist offen.

Sperrfeuer aus Düsseldorf

Betriebsratsmitglied Timm Boßmann wies diese Darstellung „entschieden zurück". Er verwies darauf, dass die Also-Geschäftsführung "niemals ein Sanierungskonzept vorgelegt" habe. Alle Lösungen vor der Einigungsstelle seien in letzter Minute an einem „Sperrfeuer" des Investors Walter Droege gescheitert. Vor der Einigungsstelle, die erst auf Klage des Investors Walter Droege eingerichtet wurde, sollen die Geschäftsführer von Also Logistic und Weltbild Retail mit den Arbeitnehmervertretern sozialverträgliche Sanierungskonzepte erarbeiten. Droege selbst war den Terminen in Augsburg trotz Einladung des Arbeitsgerichts ferngeblieben, eine für Weltbild ausgehandelte Lösung scheiterte in letzter Minute.

„Die wirtschaftliche Situation der Logistik war Herrn Droege vor seinem Einstieg bestens bekannt. Es bestand Einigkeit mit dem Betriebsrat, der Gewerkschaft und Herrn Geiwitz darüber, dass die Logistik unterausgelastet ist. Aus dieser Unterlast resultiert das Kostenproblem und aus nichts anderem. Deshalb wurde das Personal in der Logistik vor der Übergabe an Droege um 50 Prozent reduziert". Laut Boßmann hätten Gewerkschaft und Betriebsrat diesen Schnitt mitgetragen, „um die Logistik nachhaltig zukunftsfähig zu machen."

Betriebsrat: Droege ist wortbrüchig geworden

Droege habe im Gegenzug für den Personalschnitt „seinerseits zugesagt, zusätzliches Geschäft aus der ALSO-Gruppe in Augsburg zu platzieren. Aus dieser Kombi –Personalreduzierung einerseits, Zusatzgeschäft andererseits – bestand der Sanierungsplan. Außerdem hatte die Gewerkschaft Verdi zugesagt, Tarifverhandlungen zu führen, die eine weitere Kostensenkung ermöglicht hätten."

Mehr noch: Allein vor dem Hintergrund dieser Vereinbarung soll Droege den Zuschlag für die Übernahme Weltbilds erhalten haben. „Andere interessierte Investoren hatten zwar Konzepte für Weltbild, wussten aber offensichtlich nichts mit der Logistik anzufangen und hatten vor allem keine andere Logistik-Firma, von der Aufträge umleitbar gewesen wären", heißt es aus Unternehmenskreisen. Für die Logistik soll Droege nach Informationen von boersenblatt.net keinen Cent bezahlt haben, obwohl sie mit Grundstücken, Gebäuden und Technik hohe Sachwerte beinhaltet. „Sein Teil des Deals wären das Zusatzgeschäft und die dafür erforderlichen Investitionen gewesen", heißt es dazu aus Unternehmenskreisen. Darüber habe bei Vertragsabschluss auf beiden Seiten Klarheit bestanden.

Wie Timm Boßmann, Sprecher der Verdi-Betriebsgruppe bei Weltbild ausführt, habe Droege bislang sämtliche Tarifverhandlungen mit Verdi durch seine Anwälte platzen lassen. Ein Manager, der konkrete Schritte zur Ermöglichung des Drittgeschäfts geplant habe, sei entlassen worden. „Danach war die Augsburger Logistik über Monate führungslos, bis Herr Wenz an Bord kam, dessen Biographie als Abwicklungsmanager ohne jede Logistik-Expertise Bände spricht", so Boßmann.

Auch die Arbeit in der Einigungsstelle soll blockiert worden sein: zunächst habe die Seite von Droege Mitte Juli schriftlich konkrete Vorschläge vorgelegt, darunter einen Interessenausgleich in dem ein Stellenabbau von ca. 150 Stellen in der Logistik detailliert beschrieben war und einen Sozialplan, der dem Tarifsozialplan von 2014 entsprochen habe. „Als die Vertreter von Droege gemerkt haben, dass eine Einigung unter der sehr guten Moderation von Einigungsstellenvorsitzendem Holger Dahl in greifbare Nähe rückte, hat Herr Droege die Notbremse gezogen und die Logistik in die Insolvenz geschickt. Als wir in der E-Stellen-Sitzung am 31. Juli. für den Teilbetrieb Weltbild eine Einigung mit der Geschäftsführung ausgehandelt hatten, hat er diese in der Nacht per Telefon kassiert, indem er die Finanzierung verweigert hat", ärgert sich Boßmann. Geradezu grotesk sei dies, weil Droege die Arbeitnehmervertreter in die Einigungsstelle hineingeklagt habe.

Der Betriebsrat schäumt vor Wut

„Aus unserer Sicht lässt dieses destruktive Verhalten nur einen Schluss zu: Herr Droege will sich mit uns nicht einigen, darum chaotisiert er die Verhandlungen und wird immer dann aktiv, wenn Ergebnisse sichtbar werden", so Boßmann. „Alle Verträge, die wir vor der Übernahme mit Herrn Droege geschlossen haben, um den Weg der Sanierung verbindlich zu beschreiben, hat dieser gebrochen. Nichts wurde eingehalten, aber im Wochenrhythmus immer neue Forderungen aus Düsseldorf. So führt man keine Verhandlungen, wenn man ein Interesse an einer Einigung hat!"

Der Betriebsrat zeigte sich „fassungslos mit welcher Kaltschnäuzigkeit ein milliardenschwerer Unternehmer Existenzvernichtung im großen Stil betreibt" und bezeichnete das Verhalten Droeges sogar als „eine Schande". Besonders ärgern sich Verdi und der Betriebsrat über die Ausdrücke des Bedauerns in der Stellungnahme der Also Holding im Bezug auf die wohl bevorstehenden Kündigungen:

„Die Unterstellung der Also Holding, der Betriebsrat und die Gewerkschaft hätten eine Einigung verhindert, ist Unsinn. Die Krokodilstränen, die hier produziert werden, sind unverschämt angesichts der Erbarmungslosigkeit, mit der Herr Droege Hunderte Familien der schnelles Gewinnabschöpfung seiner Investition opfert."