Kommentar von Martina Bergmann zur Weltbild-Krise

"Oje, oje, Frau Bergmann"

28. Juli 2015
von Börsenblatt
"Wenn die es schon nicht schaffen, wie wollen Sie sich dann in Borgholzhausen halten?" Martina Bergmann, Buchhändlerin - und Verlegerin - aus Borgholzhausen, findet ihren Job als Pressesprecher des Buchhandels gerade gar nicht einfach.

Jeder einzelne Buchhändler ist ja ein bisschen auch Pressesprecher des Buchhandels insgesamt. Ein schwieriger Job zurzeit. Was soll ich schon zu Weltbild sagen – außer: Großer Mist? Kunden und Geschäftspartner haben mehr Worte. Oje, oje, Frau Bergmann. Wenn die es schon nicht schaffen, wie wollen Sie sich dann in Borgholzhausen halten? Radio und Fernsehen tun ein Übriges und rufen gleich das Ende des Lesezeitalters aus.

Wie soll ich mich dazu verhalten? Blick auf die Zahlen. Stabil. Zuwächse in der Belletristik, schwächelndes Jugendbuch, solide Verkäufe von Coffee Table Books. Die Regionalia machen Freude, und über unsere Kooperation mit einem englischen Verlag jubeln wir. Wenn ich einen Wunsch frei hätte: Ich würde einfach eine Woche Urlaub machen.

In kleinem Rahmen wohlbehalten: Dem stimmen nach meiner unrepräsentativen Umfrage die Lieblingskollegen weitgehend zu. Was uns aber behindert: Diese Negativ-PR. Die Weltbild-Berichterstattung fällt (auch) auf uns zurück. Dabei erklärt die Misere, warum es den unabhängigen Sortimentern gut geht. Unsere Arbeit ist kleinteilig, individuell, mitunter intellektuell. Mein einziger Artikel für 1 Euro sind Postkarten.

Soll ich das den Kunden erklären? Wenn ich Zeit habe, vielleicht. Aber das ist nicht das Wichtigste. Als Pressesprecherin meines Berufsstands sollte ich sagen, wie sehr ich mich ärgere, dass mehreren Hundert Kollegen übel mitgespielt worden ist. Wenn hier Initiativbewerbungen mit kleinen Post-Its eingehen: Nichts für ungut. Das Arbeitsamt will es so, dann schreibe ich artig die Absage zum Abheften, aber das ist keine produktive Solidarität.

Ich sehe keine Lobby für die Mitarbeiter von Weltbild. Diese Buchhändler haben auf unserem Arbeitsmarkt nur geringe Chancen, weil die derzeit profitable Betriebsform kaum Angestellte vorsieht. Sie haben auch eher schlechte Aussichten, weil so vieles fehlt, was dort nicht nötig war: Fachwissen, Einkaufserfahrung, der Anschluss an das Digitalzeitalter. Es ist den Kollegen sehr zu wünschen, dass sie aus der Mausefalle des Abwartens schnell freikommen.