Kerr-Preis: Grußwort von Heinrich Riethmüller

"Krisenfester Journalist"

13. März 2015
Redaktion Börsenblatt
Ein "Held der Entsagung" sei er, der souverän auf das Bücher schreiben verzichten könne und stattdessen die lese, die schon da sind. Mit diesen Worten charakterisierte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller den diesjährigen Kerr-Preisträger Manfred Papst (NZZ am Sonntag). Lesen Sie hier Riethmüllers Grußwort zur Preisverleihung:

"Wir alle kennen Eigenschaftswörter, die sich immer nur mit einer ganz bestimmten Sache oder Person verbinden. Das Wort „krisenfest" ist so eins. Es steht meist bei Aktien oder anderen Geldanlagen, die auch in der Krise weiter wachsen. Aber haben Sie schon mal die Formulierung Ein krisenfester Journalist gehört? Ich noch nicht. Ich möchte Ihnen allerdings vorschlagen, diese Formulierung in Gebrauch zu nehmen, und zwar für den Journalisten, den wir heute mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik auszeichnen: Manfred Papst beweist uns seine Krisenfestigkeit als Kritiker seit langem in vielfältiger Weise – umgeben von ständiger Krise, an die sich Zeitungsleute, solche des Feuilletons zumal, schon gewöhnt haben.

In einem Text in Folio, dem Monatsmagazin der NZZ, hat Manfred Papst einmal über sein Glück berichtet, noch kein Buch geschrieben zu haben – obwohl er das wohl könnte, womöglich sogar erfolgreich. Aber nein: Die Bücher, schrieb er da, die ihm vielleicht gelingen würden, wolle er gar nicht geschrieben haben. Und feierte sich am Ende mit sympathischer Selbstironie als „Held der Entsagung". Für mich ist das Krisenfestigkeit par excellence: Bücher schreiben können, aber besser noch souverän darauf verzichten. Und stattdessen lieber die, die schon da sind, lesen.

Sehr viele sind ja schon da. Jährlich kommen Zigtausende hinzu. Auch das mag manch einen professionellen Leser in Krisen stürzen, nicht jedoch einen wie Manfred Papst. Der stellt sich in die Novitätenflut mit einer Freude, die einen Buchhändler wie mich sofort für ihn einnimmt. Originalton Papst im Börsenblatt: „Ich stehe wie ein Kind mit dem Eimerchen am Ozean, soll den jetzt ausschöpfen und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele wunderbare Dinge zu lesen." Krisenfest auch hier also: Seine Leidenschaft für den Beruf scheint ihm nie abhandengekommen zu sein.

Obwohl Manfred Papst öfters mal etwas abhandenkommt, sogar krisenhaft viel. Das hat er vor ein paar Wochen in seiner Kolumne „Zugabe" selbst zugegeben. Er leiste Außerordentliches auf dem Gebiet des Verlierens, hieß es dort: „Ich verliere Schlüssel und Tickets, Land- und Kreditkarten, bisweilen sogar die Beherrschung und den Verstand. Mit den Mützen und Hüten, die ich schon in der S-Bahn liegengelassen habe, kann man ein Broadway-Musical ausstatten." – Wer so über seine Verluste berichten kann, hat für mich schon gewonnen. Und weckt natürlich Erwartungen an eine Zeremonie wie diese Preisverleihung. Deshalb freue ich mich auf alles, was in den kommenden Minuten über und von Manfred Papst gesagt werden wird. Ich gratuliere Ihnen, lieber Herr Papst, schon jetzt sehr herzlich zum Alfred-Kerr-Preis 2015! – Nun hat das Wort der Journalist und Autor Peter Haffner, der gekommen ist, unseren Preisträger zu loben."