Karrieretag "Buch und Medien 2017"

"Excel kann man lernen, Empathie muss man mitbringen"

27. März 2017
von Nicola Bardola
Von Mails bis Meetings, von kreativen Coverideen bis zu Bewerbungstipps: Der Karrieretag "Buch und Medien 2017" bot für den Nachwuchs viele Einblicke in den Arbeitsalltag – etwa beim Podiumsgespräch "So geht Vertrieb heute".

Zwölf unterschiedliche Veranstaltungen mit 31 Gesprächspartnern hatten die Leipziger Buchmesse und die Abteilung Berufsbildung des Börsenvereins in Kooperation mit dem Börsenblatt zusammengestellt. Generell ermöglichten die Experten auf der Bühne Einblicke in ihren Arbeitsalltag und erläuterten, wie und mit welcher Ausbildung sie auf ihre aktuellen Stellen gekommen sind. So konnten die zuhörenden Schüler, Studenten und Quereinsteiger schon mal gut „abchecken“, welche Berufe für sie in Frage kommen und wo ihre besonderen Fähigkeiten zum Tragen kommen. Und sie erfuhren, was Buchhändler, Lektoren, Lizenzmanagerinnen, Pressereferentinnen, Vertriebler, Marketingfrauen usw. so alles in der Woche bewältigen.

Beim Podiumsgespräch „So geht Vertrieb heute“ machten Felicitas Becker (Schöffling & Co.), Frank Milschewsky (Jacoby & Stuart) und Thilo Schmid (Verlagsgruppe Oetinger) rasch deutlich, dass der Vertrieb in so ziemlichen allen Verlagsbereichen agiert. „Mit den Lektoraten haben wir fixe Feedback-Sitzungen: Was wir selbst in Kundengesprächen oder vom Außendienst erfahren, das ist auch wichtig für die Programmplanung. Für Marketing und Presse wiederum ist es wichtig zu wissen, wie die Aktionen im Handel ankommen“, so Oetinger-Gesamtvertriebsleiter Schmid. Dementsprechend würde der Vertrieb frühzeitig in den Prozess beispielsweise der Covergestaltung miteinbezogen. „Wir wollen in allen Verlagsbereichen keine Pauschallösungen, sondern aufgrund genauer Marktkenntnis individuelle Konzepte erarbeiten“, so Schmid.

Auch mit wenig Geld größere Effekte

„Bei uns bekommt jeder im Verlag alles mit“, erläuterte Felicitas Becker anhand des Stichworts Coverfindung: „Es gibt mehrere Runden, bis letztlich das Cover steht – und der Vertrieb ist immer involviert. Allerdings hat unser Verleger ein sehr gutes Händchen für Umschläge, da kommen viele Ideen von ihm.“ Gerade hat der Schöffling Verlag mit Neil Smiths Roman „Das Leben nach Boo“ für Aufsehen gesorgt: In elf verschiedenen Farben wird dieser Titel ausgeliefert. „Eines Tages ist der Verleger gekommen und hat gesagt, das sei ein so besonderes Buch, das brauche einen besonderen Auftritt“, erinnerte sich Becker. Die Zahl Elf ergab rasch Sinn: Der Buchhändler bestellt mit Staffelrabatt eine Partie 11/10 und hat das Buch gleich in allen Varianten. „Wir waren alle rasch Feuer und Flamme und haben mit das mit unserer Auslieferung Prolit besprochen.“ Ebenso wichtig sei die Abstimmung mit der Druckerei gewesen, dass die Titel entsprechend auf den Paletten gestapelt werden. „Es sind gerade solche Herausforderungen, die dann einfach viel Freude im Vertrieb machen“, meinte Becker.

Weil Jacoby & Stuart viele Lizenztitel macht, geschehen manche Entscheidungen schon im Vorfeld. „Und wenn der Verleger eine ausgefallene Idee hat, dann gehe ich damit in mein Zimmer und überlege, welche Palette an unterschiedlichen Möglichkeiten es gibt, diese Idee verkaufsfördernd zu unterstützen.“ Letztlich, so machten Milschewsky und seine Kollegen deutlich, müsse man immer auch kalkulieren: „Was gibt das Budget her? Wie kann man mit wenig Geld auch einen großen Effekt erzielen?“ Milschewsky betonte die kommunikative Stärke, die im Vertrieb gefordert sei, da es dort oft gelte, viele Partner zusammenzubringen. Interessant für die Zuhörer: Milschewsky denkt den Ablauf, wie das Buch zum Leser kommt, gerne von hinten. Dabei hat er unter anderem festgestellt, dass Jacoby & Stuart als kleiner Verlag große Vorteile aus Vertriebskooperationen ziehen kann und so die „IndieKids“ ins Leben gerufen. „Aus einer Vertretertasche eine Warensendung mit fünf verschiedenen unabhängigen Kinderbuchverlagen und einer Rechnung zu bündeln, das war die Grundidee für eine neue Kooperation“, so Milschewsky. Dadurch kämen nun Aufträge zustande, die solo nicht gezeichnet worden wären.  

Haben koreanische Händler Kochbücher im Angebot?

Moderator Stefan Hauck erinnerte daran, dass der beliebteste Berufswunsch in der Verlagsbranche unter jungen Leuten sehr häufig das Lektorat sei. Dabei würden im Vertrieb innovative und aufgeschlossene Nachwuchskräfte gesucht, wies der Börsenblatt-Redakteur hin. Dementsprechend ging das Podium auch detailliert auf den Arbeitsalltag ein, von Mails bis Meetings: „Bei Schöffling ist es überwiegend ein Bürojob, der aber sehr abwechslungsreich ist. Anfragen von Buchhändlern oder Endkunden, zu bearbeitende Reklamationen und viele Sitzungen, die Vertretertagung und vieles mehr“, sagte Becker. Aber bei Buchpremieren sei auch der Vertrieb vor Ort und nutze die Gelegenheit, am Tag danach Buchhandlungen in der Stadt zu besuchen.

Milschwesky erinnerte daran, dass zwar der Großteil der Bücher über den Buchhandel vertrieben wird, dass es aber zahlreiche weitere Märkte gibt, die vom Innendienst betreut werden müssen. Für ihn sind das beispielsweise der Comic-Handel oder Direktverkäufe auf Weihnachtsmärkten. „Wir haben ein Kochbuch über Korea. Da prüfe ich, ob es koreanische Versandhändler in Deutschland, gibt, die auch Kochbücher im Angebot haben. Und die gibt es“, sagte Milschwesky zum Erstaunen des Publikums. „Das ist für mich das Spannende im Vertrieb: Wir haben individuelle Bücher und überlegen für alle einzeln, wen sie interessieren könnten.“

Was gestern Facebook war, ist heute Instagram

Die vielfältigen neuen Möglichkeiten in den Vertriebsabteilungen im Zuge der Digitalisierung spielten auf dem Podium ebenfalls eine Rolle. Bei Oetinger kümmert sich das Marketing darum, die Online-Kanäle zu bespielen. „Buchhändler wie du und ich machen Blogger-Marketing, es verändert sich sehr schnell. Was gestern Facebook war, ist heute Instagram – da muss man ständig dranbleiben“, sagte Schmid. „Ich würde gerne mehr mit Instagram machen, zumal wir ja auch viele bildbetonte Titel haben, aber leider fehlen uns zurzeit die personellen Ressourcen“ sagte Milschewsky und Becker berichtete, wie sie täglich in die Online-Kanäle schaut, um zu prüfen, was es Neues zum Verlag gibt. Becker ist sich sicher, dass das Digitale zunehmen wird, dass aber der stationäre Handel wichtig bleibt. „Wie erreiche ich den Leser offline: Das ist meine zentrale Frage“, so Becker.

Bei der Frage nach den schönsten Momenten im Leben eines Vertrieblers, griff Schmid die aktuelle Situation auf: Fast 2400 Aussteller auf der Leipziger Buchmesse wollen mit ihren Titeln die Aufmerksamkeit des Publikums erringen. Die Herausforderung, in diesem Umfeld zu bestehen und die Befriedigung, wenn sich Titel  dank des eigenen Beitrags durchsetzen, das seien schöne Momente. Becker betonte die Freude bei den Gesprächen mit Buchhändlern vor Ort und mit den Endkunden auf Messen. Milschewsky wies auf die positiven Überraschungen hin, wenn sich Titel, auf die man nicht so viele Hoffnungen gesetzt hatte, plötzlich doch sehr gut funktionierten. 

Bereit sein, die Komfortzone täglich zu verlassen

Und der Weg in den Vertrieb? Für Schmid war die Begegnung mit Reinhold Joppich, langjähriger Vertriebsleiter bei KiWi entscheidend, für Milschewsky führten viele verschiedene Stationen (Universität, Copyshop, Klett Weiterbildung u.a.) in die jetzige Position und bei Becker war es ganz einfach ein Glücksfall, gleich bei Schöffling landen zu können. Den wünschen sich auch viele junge Zuhörer im Publikum für ihre berufliche Zukunft. Doch die Diskussion hat auch deutlich gemacht, wie wichtig die Bereitschaft ist, neugierig zu bleiben und sich ständig weiterzubilden. Excel könne man lernen, Empathie und ein Wertesystem, das zum Verlag passt, müsse man mitbringen, ebenso Offenheit für Neues und das Gespür für Zahlen. „Wach, mutig, positiv, freundlich sollte man sein“, so Schmid, „und bereit, die eigene Komfortzone jeden Tag zu verlassen. Es ist zugig da draußen.“