John Strelecky im Gespräch

"Mir gefällt die Energie hier"

14. Oktober 2017
von Börsenblatt
Wie es geht, das gute Leben – John Strelecky kennt sich damit aus. boersenblatt.net traf den US-Autor diese Woche am Stand von dtv in Halle 3.0, sprach mit ihm über Messebegegnungen und Millionenauflagen, über die Dauerbeschallung dank Donald Trump, seine Ratgeber und Filmpläne.        

Trotz Messetrubel wirken Sie entspannt. Wie kommt es, dass es Ihnen in der hektischen Halle 3.0 so gut geht?
Es gefällt mir hier. Die Frankfurter Buchmesse ist eine interessante Mischung: Es passiert so viel, es ist laut und unruhig, und gleichzeitig gibt es besondere persönliche Momente. Vorhin habe ich meine Bücher am Stand fotografiert. Leute kamen vorbei, und ich merkte, wie es bei ihnen Klick machte, als sie mich erkannten. Sie wollten sich unbedingt mit mir fotografieren lassen, waren begeistert, dass ich nichts dagegen hatte, und für mich war das auch ein besonderer Moment.

Überstrahlen also die Begegnungen mit den Fans den Stress?
Mit den Fans und mit den Buchhändlern, sie sind mir sehr wichtig: Ich bin mir sicher, dass ohne sie meine Bücher nicht zu den Lesern gekommen wären. Insgesamt gefällt mir die Energie hier. Vermutlich jedem, der auf der Messe unterwegs ist, bedeuten Bücher viel, und das spürt man. Wir sind in einer Branche, die Kinder zum Lachen bringt, Leser in andere Dimensionen einlädt, Geschichte lebendig macht, und ich gehe hier gern einfach auch nur durch die Gänge. Dabei habe ich den Stand mit Titeln von einem der Lieblingsautoren meiner Tochter entdeckt. Sie ist zehn und beginnt, Bücher mit 250 oder mehr Seiten zu lesen. Ich freue mich darauf, ihr morgen den Stand zu zeigen. Das ist richtig gute Energie.

Ihr neues Buch heißt "Was nützt der schönste Ausblick, wenn du nicht aus dem Fenster schaust". Es ist mit seinen kurzen, ruhigen Texten ein Gegenprogramm zur Aufgeregtheit der Messe: Ideen und Überlegungen zum Innehalten und Nachdenken. Wie sind Sie auf diese Art von Büchern gekommen?
Manchmal passt eine längere Geschichte wie mein „Café am Rande der Welt“, in der verschiedene Personen sich über Lebensfragen austauschen. Manchmal haben Menschen aber keine Zeit dafür und suchen dennoch etwas, was den Tag ändern oder sie anregen kann. Und ich erlebe viele „Aha“-Momente, über die ich ganz kurz schreiben kann, also Momente, in denen sich mir etwas Wichtiges erschließt. Die englischen Titel greifen dieses „Aha“ auf. Die deutschen Ausgaben verwenden Ideen aus den Texten, eben „Was nützt der schönste Ausblick, wenn du nicht aus dem Fenster schaust“. Der Vorgängerband heißt „Wenn du Orangen willst, such nicht im Blaubeerfeld“. Die Texte sind kurz, regen zum Nachdenken an, und die Bücher setzen auf das Zufallsprinzip: Du schlägst es irgendwo auf – und gerade diese Stelle passt perfekt zu dir und deinem Tag. Für mich ist das ein irgendwie magisches Spiel mit dem Universum.

Ihre Bücher sind sehr persönlich, und auch das, was Sie im "Café am Rande der Welt" beschreiben, haben Sie selbst erfahren: Sie haben Ihr Leben als Manager aufgegeben und sich ein neues gesucht. Was raten Sie Lesern, die ebenfalls nach neuen Wegen suchen?
Das Wichtigste ist, zu wissen, wie der neue Lebensweg aussehen soll. Es ist oft schwierig, das herauszufinden, weil der Alltag uns so sehr in Atem hält. Erst mal sollte man sich also die Chance geben, sich klar zu werden, was man will, sei es mit einem Tagesseminar oder einer kleinen Auszeit in der Natur. Wenn man sich dann darüber klar ist, was man will, sollte man sich seinem Ziel behutsam nähern. Das Gehirn hängt an Gewohnheiten, und es ist enorm stressig, wenn man mit großen Schritten beginnt: wenn man gleich mal den Job kündigt, alles verkauft und nach Thailand reist, weil man schon immer unbedingt dorthin wollte. Wenn man sich seinem Traum dagegen langsam mit kleinen Schritten nähert, geht es leichter.

Wie kann das aussehen?
Wenn das Ziel ist, nach Thailand zu reisen, kann man sich jeden Abend fünf Minuten, bevor man zu Bett geht, mit dem Traum befassen, zum Beispiel in einem Reiseführer lesen. Wenn es einem damit gut geht, kann man sich in der zweiten Woche zehn Minuten Zeit nehmen und das dann ausdehnen, sich langsam, aber immer etwas mehr seinem Ziel nähern.

Oft hängt man aber eben schon im Alltag fest, im persönlichen Stress oder auch in übergreifenden politischen Fragen, die zurzeit viele Menschen geradezu umtreiben. Wie ist das für Sie: Ist das Leben in den USA heute stressiger als vor Donald Trump?
Es ist eigentlich immer stressig, egal wer an der Macht ist. Aber ja: Zurzeit gibt es eine besonders anstrengende, zeitaufwändige Dynamik, jeder meldet sich zu Wort, nicht nur die Medien, auch etwa Comedians oder Schauspieler. Wenn man nicht aufpasst, gibt es keine Pause. Meine Empfehlung ist, den Fernseher auszustellen und auch nicht dauernd im Internet nach den neuesten Nachrichten zu schauen. Das kann einen so fesseln, dass man das eigene Leben aus den Augen verliert. Auf das sollte man sich aber konzentrieren.

Wie gelingt es Ihnen, aus dieser Dauerbeschallung auszusteigen?
Man muss das wollen und sich dafür bewusst entscheiden. Ich hatte in dieser Hinsicht selbst ein "Aha"-Erlebnis. Bei mir Zuhause ist in der Nähe eine Straße, für die man Maut bezahlen muss. Diese Maut wurde immer mehr angehoben, es wurde viel Geld mit ihr verdient, das dann ausgegeben werden musste. Also wurden überall Palmen gepflanzt, die sehr teuer sind. Sie gingen ein, und neue Palmen wurden gepflanzt. Mich hat das wütend gemacht, immer mehr Geld für die Maut ausgeben zu müssen und die Bäume sterben zu sehen. Aber irgendwann habe ich beschlossen, dass ich entweder etwas gegen die Maut und das Baumsterben tue oder nicht mehr darüber nachdenke. Das ist für mich einer der Punkte, auf die es ankommt: Wenn ich nichts wegen der Palmen unternehmen kann oder will, lasse ich nicht mehr zu, dass diese Straße mich ärgert, sondern lenke meine Aufmerksamkeit auf das, was für mich wichtig ist.

Mit Ihren Überlegungen sprechen Sie viele Menschen an, ganz besonders mit Ihrem "Café"-Buch und dem Nachfolgeband „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“. Von der deutschen Übersetzung allein des ersten Bandes wurden am meisten Exemplare verkauft, bisher eine Million. Woran liegt das – sind deutsche Leser besonders auf der Suche nach Orientierung?
Leser überall suchen nach Orientierung. Die Fragen, die ich in den Büchern stelle, scheinen universell zu sein, sie kommen in ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten an. „Das Café“ ist in Nordamerika, Europa und Asien Nummer 1-Bestseller gewesen, ist in 31 Sprachen übersetzt, und gerade haben wir aus Serbien das Angebot für Nummer 32 bekommen. Warum "Das Café" in Deutschland so besonders nachgefragt ist, kann ich nicht wirklich sagen. Vielleicht liegt es daran, dass hier viele teilen wollen. Ich höre oft, dass jemand ein Buch für sich gekauft hat und er dann ein Exemplar verschenken wollte, weil es ihm so gut gefallen hat.

Schreiben Sie schon an einem Nachfolger?
Ich arbeite an einem weiteren "Aha"-Buch, und es wird einen dritten "Café"-Band geben. Außerdem habe ich ein Drehbuch für einen "Café"-Film verfasst. Eine große deutsche Produktionsfirma hat mich vor einem Jahr angesprochen – es wird eine deutsch-kanadische Koproduktion, wahrscheinlich wird der Film 2019 zu sehen sein. Ich will noch nicht die Details verraten, so viel aber doch: Ich plane eine ganz besondere Premiere in Deutschland für die Buchhändler.