Isabel Bogdans Lieblingsbuchhandlung

Abendbrot und Nachtlager

18. Februar 2016
von Börsenblatt
Isabel Bogdan liebt die Buchhandlung Stories! in Hamburg.

Zum ersten Mal schleppte meine Freundin Anja mich zu Stories! im Straßenbahnring. Das war 2008, die Buchhandlung war neu und ich sofort schockverliebt: Wie schön dieser Laden ist! Alles in braunem Holz und Weiß. Riesige, deckenhohe Trennwände aus flachen, rechteckigen Kästen, in denen die Bücher frontal präsentiert werden. Was für eine grandiose Platzverschwendung! Und dazwischen steht ein ­riesiger Tisch mit Stühlen drumherum und Bücherstapeln drauf. Man kann sich einfach hinsetzen und in Ruhe Bücher angucken. Am Tisch. Und wer möchte, bekommt einen Kaffee dazu.
Der Laden ist gar nicht besonders groß – aber großzügig: Hier ist Platz für einzelne Bücher, es ist Licht, man kann sich bewegen, man kann atmen. Seit 2011 gibt es eine Filiale im Hanseviertel, die genauso aussieht. Bei Stories! wird sorgfältig ausgewählt, welche Bücher überhaupt in den Laden dürfen, nämlich jeweils ungefähr 7 000 Stück, und dann wird noch mal ausgewählt, welche in die Kästen kommen. Mehr braucht es nicht. Diese Kastenwände könnten geradezu museal wirken, wenn in den Büchern nicht auch noch ausgeschnittene Rezensionen aus den großen Feuilletons stecken würden. Dadurch kommt ein bisschen Unruhe und Unordnung ins Bild, es sorgt dafür, dass man nicht nur ehrfürchtig staunend vor der Wand steht, sondern sich auch traut, die Bücher in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Und vielleicht mit Annerose Beurich ins Gespräch zu kommen, die hier die Chefin ist, oder mit einer anderen Buchhändlerin oder einem Buchhändler. Denn alle, die hier arbeiten, sind echte Bücherfreaks und haben etwas zu sagen. Wie kompetent die Beratung ist, merkt man etwa zu Weihnachten, wenn die Lesebedürfnisse von Eltern und Schwiegereltern, Neffen, Nichten und Freunden befriedigt werden wollen. Da bekommt man Bücher empfohlen, die einen selbst vielleicht gar nicht interessieren, sich aber zuverlässig als Volltreffer entpuppen. Und wer keine Beratung braucht, kann natürlich auch online bestellen.
Für komplett neue Inspiration sorgt das "Abendbrot": die Buchhändler (und Gäste) stellen ihre aktuellen Lieblingsbücher vor, im Fünfminutentakt, einen ganzen Abend lang, dazu gibt es Wein und Schnittchen, und am Ende schleppt man jede Menge Bücher nach Hause. Aber wenn man mit so viel Leidenschaft etwas ans Herz gelegt bekommt – was soll man denn auch machen? Genauso geht es einem bei den Autoren- oder Übersetzerlesungen, die hier regelmäßig stattfinden.
Und das Allerbeste ist: Als ich vor ein paar Jahren ein Buch übers "Sachen machen" schrieb und fragte, ob ich mal einen Tag mitarbeiten könne, um darüber zu schreiben, da sagte Annerose Beurich spontan: "Klar kannst du das. Aber willst du nicht lieber hier übernachten?" Wie bitte? Ob ich eine Nacht in der schönsten Buchhandlung der Stadt verbringen möchte? Natürlich möchte ich das. Und zwar nicht allein, sondern mit Anja. Aber das ist eine andere Geschichte, und die ist schon ­erzählt worden.

Isabel Bogdan, 1968 in Köln geboren, lebt in Hamburg. Sie hat Jane Gardam, Jonathan Safran Foer und Nick Hornby übersetzt. Ihr Buch "Sachen machen" (Rowohlt) ermuntert, Neues auszuprobieren; ihr erster Roman, "Der Pfau", ist gerade bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.