Interview mit Bernd Zanetti, Geschäftsführer der Akademie des Deutschen Buchhandels

"Auch wir müssen schneller und agiler werden"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Nach dem Jubiläumsjahr 2013 beginnt für die Akademie des Deutschen Buchhandels die nächste Innovationsrunde: Neue Konferenzen und Kurse sollen der Branche helfen, die digitale Herausforderung zu bestehen. Ein Interview mit Geschäftsführer Bernd Zanetti.
Das Umfeld, in dem die Akademie ihre Angebote macht, hat sich stark verändert. Wie positionieren Sie sich im Wettbewerb der konkurrierenden Anbieter?
Eines unserer Ziele im Gründungsjahr 1993 war es, Management-Methoden in die Buchbranche einzuführen und damit zur Professionalisierung beizutragen. Ich denke, das ist uns gelungen – allein das Seminar „Führungsaufgaben in Verlagen“ wurde in den letzten 20 Jahren von Entscheidern aus allen wichtigen Buchverlagen im deutschsprachigen Raum besucht. Wir haben den insgesamt zehntägigen Kurs über die Jahre immer wieder aktualisiert und optimiert. Heute gehört er zu den renommiertesten Qualifizierungsangeboten der Branche. 

Neben dem Management-Segment bieten wir ein breites Spektrum an Fortbildungen für alle Verlagsabteilungen an: von Lektorat, Redaktion und Herstellung über Marketing, Vertrieb, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bis hin zu Lizenzen und Recht. Immer wichtiger werden dabei natürlich digitale Themen, zum Beispiel Seminare zur Konzeption, Herstellung und Vermarktung von E-Books und Apps. Hier können wir sehr nah am tatsächlichen Bedarf unserer Kunden agieren, denn neun bedeutende Verlagshäuser sind an der Akademie als Gesellschafter direkt beteiligt: Beltz, Bertelsmann, Bonnier, Cornelsen, Holtzbrink, Klett, Springer Science + Business, VNR und WEKA. Der intensive Austausch mit diesen Häusern ermöglicht eine Praxisnähe, die mit einer anderen Trägerschaft kaum zu realisieren wäre.

Das Innovationstempo in der Buchbranche hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich beschleunigt, die Innovationszyklen werden kürzer. Wie wirkt sich das auf Ihr eigenes Selbstverständnis und Ihre Arbeit aus? Muss sich die Akademie immer häufiger "neu erfinden"?
Der Veränderungsprozess in den Verlagen wirkt sich in der Tat unmittelbar auf unsere Arbeit aus. Nehmen Sie zum Beispiel die Produktionsworkflows: Bei der Buchherstellung haben sich hocheffiziente Prozesse etabliert, die wir in unseren Basisseminaren Jahr für Jahr vermittelt haben. Heute sind die Herstellungsabteilungen auch für die Produktion von digitalen Produkten wie zum Beispiel E-Books, Apps, Datenbanken oder Web-Portale verantwortlich. Viele Abläufe sind noch nicht standardisiert, in jedem Verlag sieht es derzeit anders aus. Das ändert den Weiterbildungsbedarf grundlegend: Maßgeschneiderte, auf die individuellen Anforderungen des jeweiligen Hauses zugeschnittene Weiterbildungskonzepte werden immer wichtiger. Das sehen wir deutlich an unserem wachsenden Inhouse-Bereich. Gleichzeitig hat sich die Halbwertszeit des praxisrelevanten Wissens durch immer neue technologische Innovationen verkürzt. Wir sind daher gefordert, unsere Seminarinhalte immer öfter zu überarbeiten und zu aktualisieren. Für uns und unser Selbstverständnis heißt das:  Auch wir müssen schneller und agiler sein als noch vor wenigen Jahren. Um frühzeitig auf neue Entwicklungen reagieren zu können, stehen wir in permanentem Austausch mit den Vertretern der Branche und unseren Kunden. Mitarbeiterinnen der Buchakademie sind außerdem auf Zukunftskongressen und Technologiemessen unterwegs. Zu unserer Arbeit gehört es heute mehr denn je, relevante Themen und Experten auch außerhalb der Buchbranche zu entdecken und für Verlage nutzbar zu machen. 

Sie haben in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Veranstaltungsformate erprobt. Haben sich alle bewährt?
Unsere wichtigsten Formate haben sich allesamt bewährt: Auf unseren Konferenzen bieten wir Führungskräften aus Verlagen die Möglichkeit, sich über aktuelle Trends zu informieren und sich zu vernetzen – das nächste Mal auf der Konferenz "Mobil, vernetzt, multimedial? Der Weg zum Kunden – Zukunftsstrategien für die Buchbranche" am 13. März in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse. Mit unseren rund 30 Kompakt- und Zertifikatskursen verfolgen wir den Anspruch, die wichtigsten Berufsfelder in Verlagen umfassend und differenziert abzudecken. Die ein- bis zweitägigen Seminare bieten den Teilnehmern die Möglichkeit, sich gezielt zu einem Themengebiet zu informieren bzw. bestehendes Wissen zu systematisieren.

Eine gewisse Anlaufzeit benötigten unsere Webinare. Denn die Nutzung dieses ortsunabhängigen und dennoch interaktiven E-Learning-Formats scheint für viele Teilnehmer noch ungewohnt zu sein. Aber nachdem die Webinarreihe "Verlag 3.0" letztes Jahr erstmalig erfolgreich gelaufen ist, profitieren wir von den Empfehlungen der Teilnehmer. Jetzt steigen die Anmeldezahlen kontinuierlich an.

Welche neuen Konferenz- und Seminartypen führen Sie gerade ein oder planen Sie für die Zukunft?
Vor kurzem haben wir den Publishing Monday als Abendveranstaltung eingeführt, bei der wir immer ein aktuelles Trendthema aus zwei Perspektiven beleuchten – zum Beispiel Crowd Sourcing oder Big Data. Das ist ein Gespräch zwischen einem Brancheninsider und einem Experten außerhalb der Branche, bei dem die Teilnehmer dazu eingeladen sind mitzudiskutieren – ein interaktives Format. Das positive Feedback hat uns dazu angeregt, weitere Veranstaltungen ins Leben zu rufen, bei denen die Vernetzung der Beteiligten im Mittelpunkt steht. So ist zum Beispiel der Recruiting Day entstanden, an dem wir Verlage mit Berufseinsteigern und Young Professionals – insbesondere auch aus technisch orientierten Studiengängen –  zusammenbringen.

Damit sich unsere Teilnehmer auch über Präsenzveranstaltungen hinaus austauschen können, eignen sich digitale Lernumgebungen hervorragend – Stichwort Blended Learning.  Unser Angebot in diesem Bereich werden wir in Zukunft mit Sicherheit ausbauen.

Ihre Veranstaltungen werden auch von Technologiefirmen gesponsert, die Eigeninteressen verfolgen und gern mitmischen würden. Wie schützen Sie sich vor Begehrlichkeiten?
Wir verkaufen grundsätzlich keine Veranstaltungen oder Vorträge. Wenn ein Dienstleister einen Redeslot bekommt, dann, weil wir davon überzeugt sind, dass das, was er zu sagen hat, oder die Technologie, die er anbietet, für die Teilnehmer interessant ist. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man Ergebnisse aus einem Forschungslabor präsentiert oder ein konkretes Produkt.

Leisten Sie mit Ihren Seminaren einen Beitrag zur Modellierung neuer Jobprofile?
Ja, das tun wir sehr bewusst. Wir beobachten genau, welche neuen Kompetenzen in Verlagen und Medienunternehmen benötigt und welche Stellen dort geschaffen werden – zum Beispiel in Kundenworkshops oder durch die Analyse des Stellenmarkts. Wertvolle Informationen liefern auch die Teilnehmer unserer Seminare in detaillierten Vorabfragebögen und Feedbackbögen. Auf der Basis planen wir etwa die Themen für Zertifikatskurse wie den "Fachredakteur Print/Online ADB" oder den "Content Manager ADB", die dezidiert auf die neuen Jobprofile zugeschnitten sind. Natürlich ist das ein laufender, nicht abgeschlossener Prozess. Aber das Feedback der inzwischen mehrere hundert Absolventen unserer Zertifikatskurse zeigt, dass wir hier einen Beitrag zur Orientierung und Standardisierung leisten.

Wie sprechen Sie die Interessenten für Ihr Programm heute an? Erzeugen Sie auch über soziale Netzwerke Reichweite?
Interessenten sprechen wir je nach Informationsbedürfnis auf unterschiedlichen Kanälen an. Wie die Website bilden auch unsere Printkataloge unser Programm in seiner Breite ab. Sie sollen Führungskräfte und deren Mitarbeiter aus Verlagen dabei unterstützen, ihre Weiterbildung systematisch zu planen. In  Newslettern erhalten Teilnehmer und Interessenten zusätzlich Informationen zu den von ihnen abonnierten Themengebieten, zum Beispiel E-Publishing oder Marketing/Vertrieb. In Branchenmedien wie zum Beispiel dem Börsenblatt informieren wir mit Bannern und Anzeigen über wichtige Branchenkonferenzen wie die jährliche E-Book-Konferenz. Die sozialen Netzwerke nutzen wir vor allem, um Teilnehmern, Referenten und Interessenten einen Blick hinter die Kulissen zu bieten. Auf vielen unserer Konferenzen wird zum Beispiel getwittert. Wer nicht selbst anwesend sein kann, kann sich über den jeweiligen Konferenzhashtag zumindest einen Eindruck von den Themen und der Stimmung verschaffen.

Wie würden Sie Ihren Auftrag in Zeiten des Strukturwandels definieren?
Bereits im Gründungsjahr 1993 wurde als unser Auftrag formuliert, den Strukturwandel in der Buchbranche zu unterstützen und zu begleiten. Damals hat man vor allem an die Konzentrationsprozesse in der Branche gedacht. Die immensen Folgen des Internets, das im selben Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, waren damals noch nicht annähernd absehbar.  Heute verfolgen wir unseren Gründungsauftrag unter veränderten Vorzeichen: Wir unterstützen Verlage und Medienunternehmen mit der passenden Weiterbildung und Beratung dabei, den digitalen Change – vom Buch zum E-Book, von der Kundenzeitschrift zur digitalen Community – erfolgreich zu bewältigen. Mit unserem E-Publishing-Programm, das wir seit über sechs Jahren systematisch auf- und ausbauen, sind wir dafür gut aufgestellt.

Interview: Michael Roesler-Graichen