Interview mit Bastei-Lübbe-Vorstand Klaus Kluge

"Die Bücherpreise sind erschütternd niedrig"

4. Mai 2016
Redaktion Börsenblatt
Bücher könnten viel mehr kosten, besonders die kommerziell sowieso schon erfolgreiche Genreliteratur. Dass die Kunden das genauso sehen, will Klaus Kluge, im Vorstand von Bastei Lübbe für Marketing und Vertrieb zuständig, jetzt mit einer groß angelegten Studie beweisen.

Warum müssen Bücher jetzt teurer werden?
Und weil wir davon ausgehen, dass die Kunden höhere Preise akzeptieren. Und weil wir wissen, dass der Handel auf Dauer mit den bestehenden Buch­preisen nicht überleben kann – mit Folgewirkungen für die Verlage.

Nach Auswertung von KNV liegt Bastei Lübbe mit durchschnittlich 15,11 Euro für Belletristik zumindest im Hardcover schon jetzt höher als die übrigen Verlage mit 13,19 Euro.
Das ist aber immer noch erschütternd niedrig. 1999 lag der – vom Kunden akzeptierte – Preis für ein Hardcover bei 45 D-Mark, das Taschenbuch kostete 18,80 D-Mark. Bei der Umstellung auf den Euro wurden die Bücherpreise abgesenkt, Taschenbücher im Schnitt auf 9,99 Euro und Hardcover auf etwa 20 Euro. Wir Verlage haben es schlicht versäumt, die Preise entsprechend anzupassen.

Mit Unterstützung des Instituts Nymphenburg wollen Sie jetzt herausfinden, was Bücher kosten dürfen. Wie läuft das ab?
Der Kunde wird vor eine fiktive Kaufentscheidung gestellt und gleichzeitig wird sein reales Verhalten beobachtet. Miteinander korreliert, ergibt sich daraus nach bestimmten psychologischen Parametern ein ziemlich genaues Bild, ob die Aussage "Ja, ich würde auch mehr bezahlen" valide ist. Um politisch erwünschte Antworten zu verhindern, haben wir ein Instrumentarium gewählt, das mit tatsächlichen Beobachtungen des Kundenverhaltens einhergeht. Am Ende wollen wir Antwort auf die Frage, welche Rolle der Preis im Gesamtkonzert aller anderen Kauffaktoren spielt.

Wie muss man sich das im Detail vorstellen?
Die Studie wird in Buchhandlungen in Deutschland und Österreich durch­geführt, pro Buchhandlung soll es 70 bis 80 Kundenbeobachtungen mit anschließenden Interviews geben, die von psychologisch geschulten Mit­arbeitern durchgeführt werden. Der entsprechen­de Fragebogen ist derzeit in der Entwicklung.

Ein Titel, drei Preise – sind solche Versuchsanordnungen geplant?
Wir werden im Versuch einen Roman von Rebecca Gablé als Taschenbuch für 12,99 Euro, als Paperback für 16,99 Euro und im Hardcover für 26 Euro präsentieren – jeweils den gleichen Titel. Wo greift der Kunde zuerst hin? Laut Lehrbuch wird die mittlere Preislage favorisiert. Wenn sich das bestätigen sollte, könnte man zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft zum normalen Hardcover eine besonders ausgestattete hochpreisige Ausgabe parallel anbieten. Vermutlich würde der Käufer dann zum normalpreisigen Hardcover greifen, in dem Bewusstsein, ein Schnäppchen zu machen. Solche Dinge werden wir durchdeklinieren.

Von allzu vielen Parallelausgaben ist der Buchhändler aber nicht begeistert.
Ist das so? Wir wissen nur, dass es beim Händler Irritationen bei der Nachverwertung von Paperbacks im Taschenbuch gibt. Es wird vermutet, dass der Kunde das nicht akzeptiert. Ob das wirklich so ist, wollen wir herausfinden. Ich glaube nicht, dass der Kunde im Kopf hat, was wann in welcher Ausstattung und zu welchem Preis erschienen ist. Meine These ist, dass das eher ein Buchhändlerdenken ist – in tiefer Kenntnis der Programmstrukturen und Erscheinungstermine.

Welche Erfahrungen machen Sie denn in Ihrer Buchhandlung Siebter Himmel?
Wenn man die Bücher entsprechend kuratiert, vernünftig präsentiert, in inhaltliche Bezüge auch zu Non-Books setzt, gelingt es, sehr viel höhere Durchschnittsbons zu erzielen. Das bedeutet aber zugleich Verzicht auf Masse, auf Breite des Angebots, was nicht immer im Interesse der Verlage und des Buchhandels sein kann.

Macht die Bücher teurer! Ist der Buchhandel sich in dieser Forderung denn einig?
Passt die Bücher dem Warenkorb an und macht sie wertiger! Vermittelt die Werthaltigkeit, die Bücher haben! Diese Formulierungen treffen es besser – ­darum geht es und darüber besteht auch breite Einigkeit.

Ken Follett ist eine Marke und seinen Fans sicher einiges wert. Was könnte "Kingsbridge 3" im Herbst 2017 kosten?
Blicken wir auf das Jahr 1999 zurück, müsste "Kingsbridge 3" heute 46 Euro kosten. Es könnte aber sein, dass dieser Sprung zu groß ist. Ende Oktober wissen wir mehr. Schon jetzt kann ich sagen, unter 36 Euro werden wir nicht gehen; wahrscheinlich werden wir den Preis bei 38 Euro festsetzen.

Falls die Studie des Instituts Nymphen­burg Ihnen nicht völlig neue Erkenntnisse vermittelt ...
Sollten uns die Studien bestätigen, dass die extrem starke Autorenmarke Ken Follett den höheren Preis möglich macht, kann es sein, dass wir uns tatsächlich auf 44 Euro verständigen. Wichtig ist in diesem Fall, dass der Handel das mitträgt. Der Kunde darf sich natürlich nicht übervorteilt fühlen. Die Frage ist: Wie viele Kunden haben im Kopf, dass der letzte Roman von Ken Follett 29,99 Euro gekostet hat, und wäre das ein zu großer Sprung? Was wir uns für die ganze Branche nicht leisten können, ist eine Preisdiskussion. Da müssen wir sensibel bleiben.

Manchen Kunden dürften die Bücher aber auch schon teuer genug sein.
Es gibt natürlich Kunden, die sagen, Bücher sind ganz schön teuer. Das entspricht zwar nicht der Realität, aber was hilft das Wissen um Realität gegen den subjektiven Eindruck. Das kann man nur schwer entkräften.

Und was machen Sie, wenn vom neuen Follett für 44 Euro nur die Hälfte der erwarteten Menge verkauft wird?
Falls das passiert, dürften wir daraus keinesfalls voreilige Schlüsse ziehen. Bei Rebecca Gablé sind wir vor Jahren von 9,99 Euro auf 12,99 Euro gegangen – und sind bei diesem ersten Versuch bitter abgestraft worden. Am Ende haben wir die scheinbar magische Preisschwelle von 9,99 Euro doch noch überschritten.

Das Bücherbudget pendelt sich also weiter oben wieder ein?
Wir müssen die Kunden spontan begeistern. Die emotionale Freude muss größer sein als der Schmerz, Geld auszugeben.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich vom Handel?
Er sollte beim Einkauf bei gleicher Qualität die hochpreisigeren Titel bevorzugt einkaufen und präsentieren, um an dem Experiment teilzunehmen und den Beweis anzutreten – ja, höhere Bücherpreise sind machbar.