Warum müssen Bücher jetzt teurer werden?
Und weil wir davon ausgehen, dass die Kunden höhere Preise akzeptieren. Und weil wir wissen, dass der Handel auf Dauer mit den bestehenden Buchpreisen nicht überleben kann – mit Folgewirkungen für die Verlage.
Nach Auswertung von KNV liegt Bastei Lübbe mit durchschnittlich 15,11 Euro für Belletristik zumindest im Hardcover schon jetzt höher als die übrigen Verlage mit 13,19 Euro.
Das ist aber immer noch erschütternd niedrig. 1999 lag der – vom Kunden akzeptierte – Preis für ein Hardcover bei 45 D-Mark, das Taschenbuch kostete 18,80 D-Mark. Bei der Umstellung auf den Euro wurden die Bücherpreise abgesenkt, Taschenbücher im Schnitt auf 9,99 Euro und Hardcover auf etwa 20 Euro. Wir Verlage haben es schlicht versäumt, die Preise entsprechend anzupassen.
Mit Unterstützung des Instituts Nymphenburg wollen Sie jetzt herausfinden, was Bücher kosten dürfen. Wie läuft das ab?
Der Kunde wird vor eine fiktive Kaufentscheidung gestellt und gleichzeitig wird sein reales Verhalten beobachtet. Miteinander korreliert, ergibt sich daraus nach bestimmten psychologischen Parametern ein ziemlich genaues Bild, ob die Aussage "Ja, ich würde auch mehr bezahlen" valide ist. Um politisch erwünschte Antworten zu verhindern, haben wir ein Instrumentarium gewählt, das mit tatsächlichen Beobachtungen des Kundenverhaltens einhergeht. Am Ende wollen wir Antwort auf die Frage, welche Rolle der Preis im Gesamtkonzert aller anderen Kauffaktoren spielt.
Wie muss man sich das im Detail vorstellen?
Die Studie wird in Buchhandlungen in Deutschland und Österreich durchgeführt, pro Buchhandlung soll es 70 bis 80 Kundenbeobachtungen mit anschließenden Interviews geben, die von psychologisch geschulten Mitarbeitern durchgeführt werden. Der entsprechende Fragebogen ist derzeit in der Entwicklung.
Ein Titel, drei Preise – sind solche Versuchsanordnungen geplant?
Wir werden im Versuch einen Roman von Rebecca Gablé als Taschenbuch für 12,99 Euro, als Paperback für 16,99 Euro und im Hardcover für 26 Euro präsentieren – jeweils den gleichen Titel. Wo greift der Kunde zuerst hin? Laut Lehrbuch wird die mittlere Preislage favorisiert. Wenn sich das bestätigen sollte, könnte man zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft zum normalen Hardcover eine besonders ausgestattete hochpreisige Ausgabe parallel anbieten. Vermutlich würde der Käufer dann zum normalpreisigen Hardcover greifen, in dem Bewusstsein, ein Schnäppchen zu machen. Solche Dinge werden wir durchdeklinieren.
Von allzu vielen Parallelausgaben ist der Buchhändler aber nicht begeistert.
Ist das so? Wir wissen nur, dass es beim Händler Irritationen bei der Nachverwertung von Paperbacks im Taschenbuch gibt. Es wird vermutet, dass der Kunde das nicht akzeptiert. Ob das wirklich so ist, wollen wir herausfinden. Ich glaube nicht, dass der Kunde im Kopf hat, was wann in welcher Ausstattung und zu welchem Preis erschienen ist. Meine These ist, dass das eher ein Buchhändlerdenken ist – in tiefer Kenntnis der Programmstrukturen und Erscheinungstermine.
Welche Erfahrungen machen Sie denn in Ihrer Buchhandlung Siebter Himmel?
Wenn man die Bücher entsprechend kuratiert, vernünftig präsentiert, in inhaltliche Bezüge auch zu Non-Books setzt, gelingt es, sehr viel höhere Durchschnittsbons zu erzielen. Das bedeutet aber zugleich Verzicht auf Masse, auf Breite des Angebots, was nicht immer im Interesse der Verlage und des Buchhandels sein kann.
Macht die Bücher teurer! Ist der Buchhandel sich in dieser Forderung denn einig?
Passt die Bücher dem Warenkorb an und macht sie wertiger! Vermittelt die Werthaltigkeit, die Bücher haben! Diese Formulierungen treffen es besser – darum geht es und darüber besteht auch breite Einigkeit.
Ken Follett ist eine Marke und seinen Fans sicher einiges wert. Was könnte "Kingsbridge 3" im Herbst 2017 kosten?
Blicken wir auf das Jahr 1999 zurück, müsste "Kingsbridge 3" heute 46 Euro kosten. Es könnte aber sein, dass dieser Sprung zu groß ist. Ende Oktober wissen wir mehr. Schon jetzt kann ich sagen, unter 36 Euro werden wir nicht gehen; wahrscheinlich werden wir den Preis bei 38 Euro festsetzen.
Falls die Studie des Instituts Nymphenburg Ihnen nicht völlig neue Erkenntnisse vermittelt ...
Sollten uns die Studien bestätigen, dass die extrem starke Autorenmarke Ken Follett den höheren Preis möglich macht, kann es sein, dass wir uns tatsächlich auf 44 Euro verständigen. Wichtig ist in diesem Fall, dass der Handel das mitträgt. Der Kunde darf sich natürlich nicht übervorteilt fühlen. Die Frage ist: Wie viele Kunden haben im Kopf, dass der letzte Roman von Ken Follett 29,99 Euro gekostet hat, und wäre das ein zu großer Sprung? Was wir uns für die ganze Branche nicht leisten können, ist eine Preisdiskussion. Da müssen wir sensibel bleiben.
Manchen Kunden dürften die Bücher aber auch schon teuer genug sein.
Es gibt natürlich Kunden, die sagen, Bücher sind ganz schön teuer. Das entspricht zwar nicht der Realität, aber was hilft das Wissen um Realität gegen den subjektiven Eindruck. Das kann man nur schwer entkräften.
Und was machen Sie, wenn vom neuen Follett für 44 Euro nur die Hälfte der erwarteten Menge verkauft wird?
Falls das passiert, dürften wir daraus keinesfalls voreilige Schlüsse ziehen. Bei Rebecca Gablé sind wir vor Jahren von 9,99 Euro auf 12,99 Euro gegangen – und sind bei diesem ersten Versuch bitter abgestraft worden. Am Ende haben wir die scheinbar magische Preisschwelle von 9,99 Euro doch noch überschritten.
Das Bücherbudget pendelt sich also weiter oben wieder ein?
Wir müssen die Kunden spontan begeistern. Die emotionale Freude muss größer sein als der Schmerz, Geld auszugeben.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich vom Handel?
Er sollte beim Einkauf bei gleicher Qualität die hochpreisigeren Titel bevorzugt einkaufen und präsentieren, um an dem Experiment teilzunehmen und den Beweis anzutreten – ja, höhere Bücherpreise sind machbar.
- Nachrichten für Zielgruppen
- Besondere Formate
- Aktionen und Preise
- Anzeigen, Adressen und Jobs
- Newsletter und Downloads
- Abo und Ausgaben
Das würde ich auch unterschreiben, jedoch auf wie viele der jährlich produzierten Bücher trifft diese Prämisse überhaupt zu??? Ehrlich gesagt, ist es nicht eher so, dass nur ein kleinerer Bruchteil der gekauften Bücher auch tatsächlich gelesen werden? Die weitaus größere Menge wird doch eigentlich über den (relativ günstigen)Preis verkauft.
Wenn Hr. Kluge so von seiner Meinung überzeugt ist, wofür bedarf es da noch einer aufwändigen Studie? Ich würde dann die Preise definitiv um 100% erhöhen; das Ergebnis wird sich dann unzweifelhaft an den Absatzzahlen zeigen.
Oder fehlt ihm vll. doch der Mut zu so einem Schritt mit ungewissem Ausgang?
9,99 Euro x 1,95583 = 19,54 DM
Und Herrn Kluges Meinung, dass Kunden wirklich so blöd sind zu glauben "ein Schnäppchen zu machen, wenn sie zum normalpreisigen Hardcover greifen“ nur weil eine "besonders ausgestattete hochpreisige Ausgabe" daneben liegt, sagt viel über Herrn Kluges Meinung über Leser aus. Wenn das stimmen würde, wäre es doch ganz einfach: Keine Taschenbücher mehr produzieren, natürlich auch keine E-Books mehr, sondern die normalen Hardcover als die neuen Taschenbücher verkaufen und daneben werden die "besonders ausgestattete hochpreisige Ausgaben“ zum doppelten Preis gelegt. Und genau da werden die Kunden NICHT mitspielen, sondern in die nächste Stadtbücherei und Unibibliothek abwandern.
Er möchte also klüger werden.
Mal sehen, ob mir da etwas einfällt...
Ja, tut es. Mir fällt die Evolution und die Fresskette ein. Wir unterliegen ihr nämlich noch, auch wenn wir uns dagegen wehren.
Gehe ich mal von einem Autoren aus, als unterstes Glied, schließlich soll er ja eine wunderbare Geschichte gebären. Er muss mit vitaminreicher Nahrung versorgt werden, es sollte ihm an nichts fehlen, damit er mit Freude und Ausdauer bei der Sache ist.
Da er seinen Beruf ernst nimmt, weiß er, dass er Hilfe braucht. Und weil es gut werden muss, geht er nicht ins Bauhaus, sondern beauftragt ein Lektorat.
Diese Menschen dort geben der Geschichte den letzten Schliff. Sie lesen Zeile für Zeile, Wort für Wort, bis ihnen der Kopf qualmt. Dafür brauchen sie Dope. Kaffee, Schokoladenbrötchen, im teuersten Fall sogar rechts- oder linksdrehende Joghurtkulturen.
Nun braucht der Autor einen Verlag. Einen mit Menschen, die ihren Beruf lieben, die sich voller Inbrunst auf die Geschichte stürzen, um daraus ein Buch zu machen.
Sie finden den richtigen Grafiker, beraten bei der Buchgestaltung, suchen die passende Druckerei, melden das Buch im Bücherparadies an und bezahlen dort die Chip-ISBN- Nr. damit es jederzeit aufgefunden werden kann und nie im Tierheim landet.
Für diese verantwortungsvolle Tätigkeit müssen sie auf ihre Gesundheit achten. Sie ernähren sich gesund, treiben Sport, und achten darauf, kein Übergewicht anzusetzen.
Nach diesen ganzen Strapazen bringt ein gutgelaunter DHL Mitarbeiter das Buch morgens früh zum Buchhändler.
Der Buchhändler freut sich riesig. Er öffnet die sorgfältige Verpackung, entnimmt dem Paket die vom Verlag beigelegten Werbebroschüren und gestaltet den liebevoll gedeckten Verkaufstisch.
Und jetzt komme ich.
Da ich den Buchhändler kenne, bin ich voller Vertrauen zu ihm. Er weiß, was ich lesen möchte. Der Buchhändler ist voller Vertrauen zu mir. Niemals hat er mich im Supermarkt an dem Bücherwühltisch mit den Remittenden gesehen. Er weiß, ich zahle den Preis, den er mir sagt, ohne murren.
Und ich zahle ihn, weil diese Geschichte sicherlich bald in meinem Herzen sein wird. Schon nach 20 gelesenen Seiten kann ich mich an den Preis nicht mehr erinnern.
Herr Kluge, schöne alte Welt.
Doch das Rad lässt sich wohl nicht zurückdrehen. Schon heute ersticken die Buchhändler in den massenhaft herausgehauenen Neuerscheinungen. Kein Buchhändler kann die noch lesen und dem Kunden empfehlen. Warum auch? Sie sind es häufig nicht wert. Also nicht wert zu lesen, geschweige denn zu bezahlen. Am wenigsten Schuld trifft dabei den Autoren. Er versucht sich in einer Kunst, und die liegt nun mal im Auge des Betrachters. Doch nicht aus jeder Skizze sollte ein Gemälde entstehen.
Für ein Buch, das zur Massenware geworden ist, bezahle ich keinen exklusiven Preis.
Für diese Erkenntnis brauchen sie mich nicht in eine Petrischale legen.
Diese Aussage bekommen sie einfach so.
Ach ja, für die Karteikarte an der Schale:
Weiblich, Norddeutsch, Alter zwischen 40 und 60 ( genaueres kommt da nicht, und über Grey´sche Foltermethoden kann ich nur lachen), Abitur sonst nix, ca. 500 Bücher, 300 Hörbücher, 650 E-Books. Sie alle habe es in meine derzeitige Wohnung geschafft, unzählige mehr haben mein Leben bevölkert.
Ach ja, nicht falsch verstehen, ich mag Verlage, sehr sogar, und gute Geschichten
Ich unterstütze Ihren Kommentar.
44.- oder auch 50.- Euro für ein gebundenes Buch sind doch schon teuer.
Und es gibt sicher Leser, die warten bis die Taschenbuchausgabe erscheint.
Die Verleger sollten vielmehr noch mit ihren Buchpreisen eine insgesamt
verträgliche Strategie verfolgen.
Dies wäre jedenfalls besser, als Buchhändler und Kunden da zu verunsichern.
Jede Buchhandlung versucht ein weitgehend breites Angebot an Büchern für
ihre Leser vorrätig zu haben. Dabei ist auch an die jeweiligen Novitäten zu
denken.
Und vor allem deshalb sollten Verleger die Preiserhöhungen nach ver-
schiedenen Kriterien ausrichten und dann auch begründen warum und
wieso eben jetzt gerade diese Erhöhung nach oben korrigiert wurde
oder kommen musste.
Insgesamt gesehen steht auch die gesamte Buchbranche in Konkurrenz
zu anderen Medien.
Und dies sollte auch bei Preisanhebungen von Büchern durch die Verlage
noch berücksichtigt werden.