Interview

"Aufbau soll literarischer werden"

21. März 2014
von Börsenblatt
Nach dem Führungswechsel bei Aufbau gilt es nun, wieder Boden gutzumachen: Die Programmausrichtung soll vor allem bei Literatur präziser werden, die Autorenabwanderung gestoppt werden, die Gewinne sollen steigen. Boersenblatt.net hat mit den neuen verlegerischen Leitern Gunnar Cynybulk und Reinhard Rohn gesprochen.

Der Inhaber Matthias Koch hat von einer Lähmung im Verlag gesprochen. Haben Sie das Unternehmen wieder in Bewegung gebracht?
Rohn: Von einer Lähmung würde ich nicht sprechen. Es gab aber sicher Irritationen, weil ein paar Dinge durch das Haus geisterten, die nicht konkret wurden: Gibt es mediale Partnerschaften? Gibt es weitere Investoren? Das ist vorbei, nicht nur, weil wir hier sitzen, sondern auch weil sich die Eigentümer ganz klar zu diesem Verlag bekannt haben.
Cynybulk: Wir haben uns vielleicht in den letzten anderthalb Jahren ein bisschen zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Jetzt beschäftigen wir uns wieder mehr mit Büchern und Autoren. Und das ist schließlich unser Job.

Was meinen Sie mit Selbstbeschäftigung?
Rohn:
Bei einem Verlag unserer Größe haben wir uns gefragt, wie erfolgreich kann er eigenständig am Markt operieren. Schaffen wir es alleine, gegen die Konkurrenz zu bestehen oder müssen wir Bündnisse eingehen? Diese Fragen haben den Verlag und die leitenden Mitarbeiter in der jüngsten Vergangenheit permanent bewegt, aber da sind wir nun deutlich weiter.

Sie haben beide gezögert, die Verlagsleitung zu übernehmen. Warum?
Cynybulk:
Wir sind beide seit 15 Jahren im Verlag. Dessen Größe und die damit verbundenen Probleme stehen uns natürlich vor Augen. Wir haben uns gefragt: Wie können wir diesen Verlag besser zur Geltung bringen? Das hat in der Vergangenheit nicht immer optimal funktioniert. Und zum Teil deswegen, weil die Strukturen und Zuständigkeiten nicht ganz klar waren. Für uns war es wichtig, intensive Gespräche mit den Eigentümern zu führen und zu erfahren, dass Herr Koch und seine Familie nach wie vor zu diesem Verlag stehen. Wir wollen nun zusammen den irrwitzigen Versuch unternehmen, einen der wenigen unabhängigen Verlage in Zeiten der Konzerndominanz und der Digitalisierung am Leben zu erhalten und sogar erfolgreich weiterzuentwickeln.
Rohn: Auch wir wurden von der Entscheidung der alten Geschäftsführung, sich wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die strategische Ausrichtung des Verlages zu trennen, überrascht. Darum ist eine Woche Zeit, um zu schauen, welche Pläne es gibt, was sich verändern soll, nicht viel. Natürlich hätten wir nicht für jede Lösung zur Verfügung gestanden.

Wie soll der Verlag erfolgreicher werden?
Cynybulk: Wir wollen die Verlage, also Aufbau, Rütten & Loening, Aufbau Taschenbuch und Blumenbar, programmatisch genauer ausrichten. Wir wollen keine Dopplungen und keine Halbheiten. Aufbau soll literarischer werden und nicht zu sehr auf die Unterhaltung schielen. Wir haben uns vorgenommen, exzellent zu sein in der Gegenwartsliteratur, natürlich auch der deutschen.
Rohn: Die zentrale Aufgabe ist es zu zeigen, was der Verlag kann, was wir erreicht haben, aber auch, was er nicht kann. Es geht darum, die Lokomotiven des Programms deutlich kenntlich zu machen und damit klare Signale an den Handel und die Presse zu geben. Wir wollen Titel nicht unbeachtet lassen, aber wir müssen uns konzentrieren.

Sie sollen mehr wagen, vor allem in der Literatur, gleichzeitig aber den Umsatz steigern. Wie lässt sich das miteinander vereinbaren?
Rohn:
Ach, immer diese Unterscheidung von Literatur und Unterhaltung. Das Taschenbuch ist und bleibt für den Umsatz wichtig, da haben wir über die Jahre stetig wachsende und gute Erfolge erzielt. Aber klar ist auch, dass unser Aufbau-Programm über die Reputation im Handel entscheidet.
Cynybulk:
Das ist in allen Verlagen gleich: das literarische Programm ist das Aushängeschild, mit dem meist unterhaltsameren Taschenbuch werden die höheren Umsätze erwirtschaftet. Aber das Schöne ist doch: Man kann gute Literatur auch gut verkaufen. Gerade für die deutschsprachigen Bücher hat sich ein neuer, großer Raum geöffnet, im Handel wie im Feuilleton. Wir im Verlag sind nichts anderes als die Übersetzer von Literatur, diejenigen, die sie nach draußen bringen, das wollen wir künftig noch selbstbewusster angehen.

Der Verlag hat namhafte Autoren verloren, weniger hinzugewonnen. Wie wollen Sie das umkehren?
Cynybulk: Es waren gravierende Brüche, die zum Weggang von einer Handvoll Autoren geführt haben. Sie müssen bedenken, was der Verlag auszuhalten hatte. Es gibt kaum einen deutschen Verlag, der solchen äußeren Zumutungen ausgesetzt war und sie überlebt hat – die schwierige Nachwendezeit mit einem gesamtdeutschen Markt, die drohende Zerschlagung nach der Insolvenz vor sechs Jahren. Man kann es auch einmal von der anderen Seite sehen: Was dieser Verlag geschafft hat, wie er mit seiner Mannschaft durchgehalten hat und wie viele neue Autoren hinzugekommen sind!

Viele Aufbau-Autoren sind es nicht, denen der Sprung auf die Nominiertenlisten für die großen Literaturpreise in Leipzig und Frankfurt gelungen ist.
Cynybulk:
Das bedauern wir natürlich auch, das hat sicherlich mehr als einen Grund, aber wie man mit Monika Zeiner gesehen hat, sind wir auf einem guten Weg.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie in der Literatur aufholen müssen. Wie steht es mit dem Sachbuch und der Unterhaltung?
Cynybulk:
Im Sachbuch gibt es den geringsten Renovierungsbedarf, da waren wir in den letzten Jahren nicht nur mit dem Schwerpunkt auf ostdeutschen Themen sehr erfolgreich.
Rohn: Wir wollen nicht alles neu machen, dazu besteht keine Notwendigkeit. Im Unterhaltungsbereich gibt es ein Level, das wir nicht unterschreiten wollen. Wir haben einige Ausflüge gemacht, Fantasy zum Beispiel. Das haben wir hinter uns.

Der Inhaber fordert Gewinne. Wie viel Zeit haben Sie denn?
Cynybulk:
Wir sind nicht ängstlich. Wir können nur unser Bestes geben. Die Zeit, die wir für die richtigen Maßnahmen brauchen, die werden wir bekommen. Schon jetzt wird die Aufbau-Vorschau ausgebaut, um dem Handel unsere Verkaufsargumente deutlicher zu machen. Und auch Blumenbar, unser junger Verlag, bekommt eine eigene Vorschau. Die Formel ist intensiv statt extensiv.
Rohn: Bald 70 Jahre lang macht dieser Verlag gute Bücher. Wir werden weitermachen mit Veröffentlichungen, die für ihren jeweiligen Programmbereich Relevanz haben, und dafür brauchen wir weiterhin unsere starken und verlässlichen Partner im Handel und in den Medien. Sie bestimmen maßgeblich mit, wie die Verlagslandschaft in zehn Jahren aussehen wird.