Heiko Hartmann über strategische Datenpflege

"Metadaten müssen von den Kunden kommen"

14. März 2016
von Börsenblatt
Metadaten verkaufen Bücher: In der Theorie hat sich diese Erkenntnis längst durchgesetzt. Aber in der Praxis? Ein Gespräch mit Heiko Hartmann, Professor für Marketing in Medienunternehmen an der HTWK Leipzig, über die Rolle der Thema-Klassifikation, strategische Datenpflege – und warum Amazon bei vielen hier als Vorreiter gilt. 

Verlage halten Metadaten für wichtig, kommen in der Praxis aber kaum hinterher. Sehen Sie einen Ausweg?
Metadaten systematisch zu pflegen ist nichts, was sich nebenbei erledigen lässt. Ich habe selbst 16 Jahre lang in Verlagen gearbeitet – bei uns mussten notgedrungen immer die Lektoren die Datenpflege mit übernehmen. Aber das ist selten eine gute Lösung. Zumindest größere Häuser bräuchten künftig intern wohl einen Spezialisten dafür, einen Data Manager.
 
Was wären seine Aufgaben?
Er müsste sich professionell um alles kümmern, was mit der strategischen Datenpflege zu tun hat, in einem standardisierten Verfahren, zielgruppenorientiert und natürlich in Kooperation mit der Redaktion oder dem Lektorat.
 
Welche Rolle spielt das Klassifikationsschema „thema“ dabei?
Das Schema dürfte früher oder später zum Dreh- und Angelpunkt dieses ganzen Prozesses werden. Weil sich mit ihm Titel viel differenzierter klassifizieren lassen, als man das etwa von der vertrauten Warengruppensystematik her kennt, sind sie auch viel gezielter und schneller auffindbar. Gerade den Nischentiteln könnte das eine Menge bringen. Metadaten, und damit auch „thema“, bedeuten in einem stark segmentierten und zunehmend von der Digitalisierung geprägten Markt zweifellos einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.
 
Wer außer Verlagen profitiert noch?
Alle, die Bücher verkaufen wollen. Am Beispiel von Amazon kann man gut sehen, was es ausmacht, eine dynamisch strukturierte Datenbank und umfassende Metadaten im Rücken zu haben. Amazon hat seinen Katalog als selbstlernendes System aufgesetzt, wobei das Innovative daran ja vor allem eines ist: Nicht Verlage entscheiden hier aus einer Binnenperspektive über die Keywords, sondern die Kunden selbst durch ihr Suchverhalten.
 
Taugt dieses Modell für alle?
Amazon setzt sich die Brille seiner Kunden auf – das zählt, und das sollte sich die Branche zu eigen machen. Welche Begriffe Käufer nutzen, wenn sie online nach Büchern suchen, lässt sich heute ja leicht mithilfe von Trackingtools ermitteln.

Interview: Tamara Weise

Hintergrund: Sinn, Ziel, Einsatz der Thema-Klassifikation

  • Thema soll dazu beitragen, Verlags­titel (Bücher, E-Books und andere) in Katalogen und Shopsystemen besser auffindbar und sichtbarer zu machen – anhand eines Rasters, das international einheitlich ist.
  • Die Klassifikation basiert auf den Standards BISAC (USA) und BIC (Großbritannien); sie besteht aus rund 2.500 Thema-Inhalten (Subjects) und etwa 2.000 Thema-Zusätzen (Qualifiern). 
  • Verwaltet wird Thema von der Standardisierungsorganisation Editeur; zahlreiche Länder saßen bei der Entwicklung mit am Tisch.
  • In Deutschland eingesetzt wurde die Klassifikation zuerst von der MVB mit dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB): Seit 2014 ergänzt Thema bei der Titelmeldung der Verlage die Warengruppensystematik. Die MVB empfiehlt, zusätzlich zu beiden auch weitere Schlagwörter – etwa für Trend- und Modebegriffe – zu vergeben.
  • Verlage, die Thema bereits nutzen (zum Beispiel): C. H.Beck, Springer Nature, Thieme, Ullstein, Verlagsgruppe Random House

Mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Börsenblatts - und im Internet hier: 

info.vlb.de/thema
www.editeur.org/151/Thema