Hauptversammlung in Köln

Bastei Lübbe räumt auf

22. November 2017
von Börsenblatt
Die wütende Abrechnung der Aktionäre mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Bastei Lübbe AG blieb aus: Auf der seit Börsengang des Unternehmens vierten Hauptversammlung am Mittwoch in Köln standen die Zeichen eher auf Neustart – allerdings auch auf schonungslose Analyse bisheriger Misserfolge.

In Zeiten schwieriger Geschäftsentwicklung kam Robert Stein, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, ohne Umschweife auf den Punkt zu sprechen, an dem es aus seiner Sicht zuletzt besonders haperte: Entscheidungen über Zukäufe und Beteiligungen seien nicht sorgfältig genug vorbereitet worden. Auch die Qualität und Transparenz der Informationen zu den Transaktionen der letzten beiden Geschäftsjahre ließen offenbar zu wünschen übrig.

Im Zentrum der Kritik: der im September 2017 als Vorstandsvorsitzender ausgeschiedene Thomas Schierack, in dessen Ressortzuständigkeit das Thema Akquisitionen lag; und der frühere stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Michael Nelles, der Bastei Lübbe zugleich bei den wichtigsten Beteiligungsfragen mit seiner Beratungsfirma unterstützt und dafür stolze Honorarrechnungen gestellt hat – eine mindestens ungewöhnliche Konstellation.

Die Frage etwaiger Schadensersatzansprüche, so Stein, werde derzeit geprüft und sei noch nicht abschließend zu bewerten. Jedenfalls wehrt sich die Verlagsgruppe gegen weitere Forderungen von Nelles. Der Ex-Aufsichtsrat hat als Berater nach Angaben des Unternehmens für Tätigkeiten in den Jahren 2015 und 2016 bereits Vergütungen in Höhe von 833.000 Euro abgerechnet und erhalten. Nun fordert Nelles für Beratertätigkeit im Zusammenhang mit der Bochumer Räder GmbH weitere 366.000 Euro von den Kölnern – und zog dazu vor Gericht. Ein erstinstanzliches Urteil ist laut Stein in Kürze zu erwarten.

Zum Thema einer höheren Transparenz und Qualität der Daten gab es für die Aktionäre direkt einen ersten Tätigkeitsnachweis: Der Aufsichtsrat hat das Vergütungssystem für die Mitglieder des Vorstands geändert. Wesentliche Neuerung: Der Anteil der Fixvergütung wurde zugunsten stärkerer variabler Anteile gesenkt, das Verhältnis von Grundvergütung zu variablen, leistungsabhängigen Bezügen liegt künftig bei 60 : 40. Und die einjährige variable Vergütung bezieht sich nun auf das EBIT des Bastei-Lübbe-Konzerns, also auf das entscheidende Erfolgsziel. „Damit haben wir die Aktionärs- und Vorstandsinteressen in Einklang gebracht“, resümierte Aufsichtsratschef Stein. Ein weiteres Ärgernis, den in den zurückliegenden Geschäftsjahren ungenügenden Informationsfluss zum Aufsichtsrat hin, wolle man in Zukunft mithilfe eines Monatsreportings angehen.

Von einem Misserfolg im Zuge der Aufräumarbeiten aus den vergangenen zwölf Monaten hatte Stein auch zu berichten: Der Lübbe-Leak an die Redaktion der Wirtschaftswoche, der die Düsseldorfer Journalisten im Sommer 2016 zu Berichten über angebliche Bilanztricks des börsennotierten Verlags in die Lage versetzt und unter Aktionären zu großer Aufregung geführt hatte, konnte nicht aufgeklärt werden. Sicher ist Stein zufolge nur, dass die sensiblen Informationen der Redaktion „über ein Internet-Café aus Köln zugespielt“ worden sind. Weitere Recherchen in dieser Sache halte er für nicht aussichtsreich.

Mit Spannung war der erste Auftritt des neuen CEO Carel Halff vor den Aktionären erwartet worden. An seinem, wie er selbst sagte, „14. Arbeitstag“ in Köln wolle er es noch bei einer ersten Einschätzung der Situation bewenden lassen: Ja, die Herausforderungen seien erheblich und zuletzt noch gewachsen, aber „Bastei Lübbe bleibt im Kern der große, populäre Unterhaltungsverlag für Bücher, E-Books und Audio. Das Haus habe „viel Know-how, hoch engagierte Mitarbeiter und eine nach wie vor gute Position in einem zwar reifen, aber stabilen Markt“.

Halff vermied es, die aktuell schwierige Situation schönzureden: „Die Ertragskraft der Gruppe ist zu gering, die Verschuldung zu hoch. Das engt unseren Handlungsspielraum ein.“ Eine Mammutaufgabe steht dem erfahrenen Manager da bevor, und so klang sein Versprechen, dass er sie entschlossen angehen wolle, entsprechend grundsätzlich: „Wir werden das Haus neu bauen.“

Der nach seinem Ausscheiden bei Weltbild mit eigener Beratungsfirma erfolgreiche Holländer äußerte sich auch zum Fehlinvestment in die mit ebenso großen wie vagen Hoffnungen gestartete Streaming-Plattform oolipo. „Eine  ungetestete Idee wie oolipo nicht schrittweise an den Markt zu bringen, sondern hoch zu investieren, war – rückblickend betrachtet – sicher kritisch.“ Dass sowohl die Qualität des Beteiligungsmanagements bei Bastei Lübbe wie auch die Konsequenz in der Umsetzung zuletzt sehr zu wünschen übrig ließ, wurde in der Generaldebatte auch von Aktionärsseite beklagt.

Als einziger im Amt verbliebener Alt-Vorstand erhielt Klaus Kluge von allen Seiten Anerkennung für seine Bereitschaft, bei den Kölnern einen neuen Drei-Jahres-Vertrag zu Konditionen deutlich unterhalb der bisherigen Fixbezüge zu unterschreiben. Kluge zeige damit, so Aufsichtsrat Stein, dass er sich seiner Mitverantwortung für Fehlentwicklungen bewusst sei. Als Programm- und Marketingvorstand  führe er aber das Kerngeschäft des Hauses erfolgreich, „deshalb  haben wir seinen Vertrag verlängert“.

Kluge selbst äußerte sich in seinem Bericht zur Lage des Buchmarktes verhalten optimistisch. Seine erste Frankfurter Buchmesse habe er 1984 miterlebt, „im Orwell-Jahr“. Seither habe er sich an die ständigen Prognosen vom „Ende des Gutenberg-Zeitalters“ gewöhnen können, indes: „Das Buch – es lebt.“ Kluge belegte seinen Befund mit Zahlen zu einem in den vergangenen zehn Jahren umsatzstabilen Buchmarkt, der sich „gegen enorm starke Medienkonkurrenz“ habe behaupten können. Er sprach von einem „gesunden stationären Buchhandel“. Er enthielt der Hauptversammlung aber auch das akut gewichtigste Problem des Marktes nicht vor: eine von 2012 auf 2016 „um sieben Prozent zurückgegangene Zahl von Buchkäufern“. Die gute Nachricht hingegen sei, dass die, die weiterhin kaufen, heute im Durchschnitt 134 Euro pro Jahr für Bücher ausgeben, 2012 lag der Wert noch bei 113 Euro.

Lübbes Marketing-Experte gab den Aktionären Einblick in die aktuelle Lage an der Blockbuster-Front. Die Verlagsgruppe ist derzeit mit zwei fast zeitgleich erschienenen Weltbestsellern im Rennen. Vertriebszahlen per 21. November:  363.451 Exemplare des immerhin 36 Euro teuren, neuen Ken Follett sind in den Handel hineinverkauft, was laut Kluge 73 Prozent des gesetzten Jahresziels entspricht. Vom neuen Dan Brown haben die Kölner bisher 546.929 Exemplare in den Handel gebracht, das seien bereits 91 Prozent Zielerreichung. Der Ausblick auf 2018 als das „Jahr der Taschenbuch-Erfolge“ klang da recht plausibel.

Ulrich Zimmermann, seit Mitte Juni neuer Finanzvorstand der Bastei Lübbe AG, glaubt an ein „nachhaltiges Wachstumspotenzial“ der Verlagsgruppe. Voraussetzung dafür, so der von Hawesko kommende Manager, sei es, „dass wir die Strukturen vor allem im Finanzbereich weiter professionalisieren, im Beteiligungsmanagement und im Controlling“. Die Herausforderungen für die gesetzten Jahresziele seien gestiegen. „Aber die Vergangenheit hat nichts mit dem Geschäftsmodell zu tun. Das war eher ein Thema der Governance“, betonte der Finanzfachmann. Mit einiger Anspannung schauen die Kölner nun auf das Weihnachtsgeschäft und den Abschluss des dritten Quartals.

Der Aktienkurs, das wurde auf der Hauptversammlung in den Gesprächen am Rande eifrig erörtert, macht gegenwärtig niemandem Spaß. Das Papier dümpelt an der 4-Euro-Marke. Allein seit Anfang September hat es um zwei Euro nachgegeben. Auch eine tröstende Dividende ist mittelfristig nicht in Sicht.

Trotz dieser insgesamt schwierigen Lage hielt sich die Kritik an den Führungsgremien der AG in der zweieinhalbstündigen Generaldebatte in Grenzen. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mahnte einen verbesserten Informationsfluss zu den Shareholdern an. Und fragte: „Wo sind denn die KPI, die Kennzahlen, die Sie ausgeben und an denen Sie sich messen lassen wollen?“ Clemens Scholl für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) gab seiner Besorgnis Ausdruck, dass womöglich zusätzliche Abschreibungen ins Haus stünden, die die ohnehin sturzflugartige Entwicklung der Aktie noch beschleunigen könnten.

Aber das war es dann auch schon mit der erwarteten „Abrechnung“. Immerhin: Auf Antrag von Aufsichtsrat und neuem Vorstand wurde die Entlastung der Vorstände Schierack und Kluge für das Geschäftsjahr 2016/17 bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung vertagt. Ebenso haben die Aktionäre den vormaligen Aufsichtsräten Friedrich Wehrle, Michael Nelles und Gordian Hasselblatt die Entlastung vorerst versagt. Wiedervorlage 2018. Bis dahin muss das Haus, das Carel Halff neu bauen will, deutlich Konturen angenommen haben – andernfalls würde sich die Tonlage auf der nächsten Aktionärsversammlung in der Schanzenstraße wohl verschärfen.