Gestorben

Wolfgang Tiessen, ein Leben für das Buch

15. November 2017
Redaktion Börsenblatt
Am 26. Oktober ist der Buchgestalter, Verleger und Herausgeber Wolfgang Tiessen gestorben. Ein Nachruf von Hermann Wiedenroth (Das Bücherhaus, Bargfeld/Celle).

Richtungweisend für den Siebzehnjährigen wurde seine erste Begegnung mit Gotthard de Beauclair 1947 in Detmold. Auf dessen Empfehlung begann er nach dem Schulabschluss 1949 bei der Druckerei Scherpe in Krefeld eine Schriftsetzerlehre. Geboren war Wolfgang Tiessen am 1. Januar 1930 in Königsberg in Ostpreußen; die Trennung seiner Eltern und der Krieg, in dem er einen Bruder verlor, hatten ihn erst nach Berlin, dann nach Detmold verschlagen.

Nach der Gehilfenprüfung im Frühjahr 1951, weiteren Monaten bei Scherpe und einem guten Jahr als Schriftsetzer in der Hausdruckerei der Schriftgießerei D. Stempel in Frankfurt am Main, begann sein Leben für das Buch so richtig erst 1953 als Mitarbeiter im Atelier Gotthard de Beauclairs im Hause Stempel. In diese Zeit fallen zahlreiche Arbeiten für den Insel-Verlag, dessen buchkünstlerischer Leiter de Beauclair war. Als sein Mentor 1960 für anderthalb Jahre Geschäftsführer des Insel-Verlags wurde, übernahm Wolfgang Tiessen die Verantwortung auf der buchkünstlerischen Seite.

1962 gründete er die Versandbuchhandlung "Wolfgang Tiessen. Moderne Buchkunst und Graphik", die auf illustrierte Bücher, Pressendrucke und Buchkunst seit 1945 spezialisiert war. Sein Rundbrief für Freunde moderner Buchkunst und Graphik (1962 bis 1987) verschaffte ihm bei Sammlern und Museumskuratoren einen guten Ruf. 1963 heiratete er Gisela Schwarz van Berk, die ihm drei Söhne schenkte und zur unersetzlichen Mitarbeiterin wurde. Die Tätigkeit als Herausgeber und Verleger begann 1968 mit den ersten beiden Bänden des Handbuchs Die Buchillustration in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1945, das bis 1989 auf sechs Bände anwuchs. Die ersten drei Drucke der Edition Tiessen erschienen 1977; stets vom Verleger von Hand aus der Janson-Antiqua gesetzt und gestaltet, entstanden nach und nach 80 Pressendrucke und 27 Sonderdrucke mit Originalgraphik von 47 Künstlern. Mit der Herausgabe des "roten Buches", einer ausführlichen Dokumentation der Edition Tiessen, endete 1996 seine aktive Zeit als Verleger, Herausgeber und Gestalter schöner Bücher, nicht jedoch seine Liebe zum Buch.

Am 26. Oktober ist Wolfgang Tiessen verstorben – in der Traueranzeige heißt es: "Nach einer kriegsbedingt schwierigen Kindheit und Jugend fand er Glück und Erfüllung in Beruf und Familie. Bis zum Lebensende empfand er dafür Dankbarkeit."

Hermann Wiedenroth