Frankfurter Buchmesse – Gemeinschaftsstand Georgien

Buchhandel in Georgien

8. Oktober 2008
von Börsenblatt
Auch der Buchhandel ist nicht unberührt geblieben vom russischen Einmarsch in Georgien und dem Streit um die abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien: Die Wachstumsraten des Marktes, die in den vergangenen drei Jahren sehr hoch waren, sind rapide zurückgegangen. Anna von Hahn war einige Wochen in Georgien und hat mit Verlegern gesprochen.
„Das waren die schrecklichsten Tage meines Lebens“, erzählt Tina Mamulashvili, die Geschäftsführerin des Bakur Sulakauri Buchverlags in Tiflis. „Ich war noch nie so verzweifelt. Meine Freunde haben 2003 an der friedlichen Rosenrevolution teilgenommen und wir waren froh, die großen Fortschritte in der Zeit danach zu beobachten. Als dann russische Truppen im August begonnen haben, unser Land zu besetzen, dachte ich, alles wäre umsonst gewesen.“ Die beharrlichen Fortschritte, die das Land in den vergangenen Jahren gemacht hat, zeigen sich unter anderem in der beeindruckenden Entwicklung des georgischen Buchmarkts. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zum wirtschaftlichen Kollaps, auch die staatlich gesteuerte Buchproduktion kollabierte. Verlegerin Tinatin Didebulidze erinnert sich, wie sie von Freunden ausgelacht wurde, als sie vor 12 Jahren ihren kleinen Kinderbuchverlag „Elf“ gründete. „Damals existierte kein Buchmarkt in Georgien“, sagt sie. Tina Mamulashvili beschreibt die Anfangszeit von Bakur Sulakauri Publishing als einen fast archaischen Zustand: „Es gab etwa 10 unabhängige Verlage, die in dem praktisch völlig unbesetzen Markt operierten. Es gab keine privaten Buchläden, keinen Auslieferungen und keine Barsortimente.“ Inzwischen hat sich vieles geändert. Mehr als 100 Verlage, zahlreiche Buchhandlungen und sogar Großhändler existieren inzwischen in Georgien. Rund 2.500 Buchtitel werden jährlich gedruckt; die Verkaufszahlen sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Dennoch gibt es immer noch die ein oder andere Baustelle. „Der Vertrieb ist nach wie vor unterentwickelt, es gibt zu wenige gute Buchhandlungen und auch Lesungen sind eher selten.“ Insbesondere außerhalb der Hauptstadt Tiflis gestaltet sich der Verkauf von Büchern schwierig. Nicht mehr als 30 Prozent der Produktion verkauft Sulakauri im Umland. „In Kutaisi (ca. 180.000 Einwohner), der zweitgrößten Stadt des Landes, gibt es nur drei Buchhandlungen, in Batumi (ca 120.000 Einwohner) sind es vier“, berichtet Tina Mamulashvili. Immer noch werden Bücher auch an der Haustür und auf den Straßen verkauft. Auf dem Rustaweli Prospekt, der nach dem georgischen Dichter Shota Rustaweli benannten Prachtstraße in Tiflis, bieten Straßenhändler ein buntes Sammelsurium von alten Sowjetausgaben, Comics, Kinderbüchern und georgischer Gegenwartsliteratur an. Bakur Sulakauri Publishing ist heute einer der wichtigsten und größten Verlage in Georgien. Jährlich werden um die 150 Titel im Bereich Kinderbücher, Belletristik, Kochen, Garten sowie Schulbücher und Lexika verlegt. Besonders gut laufen Sachbücher für junge Leser und Schulbücher. Das sind auch die Spezialgebiete des kleinen „Elf“ Verlags von Tinatin Dibulidze. Ihre ersten großen Erfolge erzielte die charmante Verlegerin mit georgischen Geschichtsbüchern: „In der UdSSR hatten wir nur ideologisch gefärbte historische Werke - daher war das Interesse an georgischer Geschichte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion besonders groß.“ Seitdem das Bildungsministerium vor drei Jahren mit der Erstellung neuer Lehrpläne begonnen hat, ist der Markt für Schulbücher stark gewachsen und inzwischen hart umkämpft. Aber auch bei den belletristischen Kinderbüchern sind große Erfolge zu verzeichnen. So hat Sulakauri von dem ersten "Harry Potter"-Band mehr als 30.000 Exemplare verkauft. „Die folgenden Bände waren weit weniger erfolgreich, da die orthodoxe Kirche, die einen großen Einfluß im Land hat, sich negativ zu den Büchern äußerte“, erklärt Tina Mamulashvili die dann stark abfallenden Verkaufszahlen. Der Verlag Elf plant gerade eine Reihe georgischer Literatur für junge Leser: „Wir haben hier viele begabte junge Schriftsteller, die wir einem breiten Publikum vorstellen möchten.“ Nicht nur bei Kinderbüchern zeigt sich eine lebendige junge Literaturszene in Tiflis. Leider sind georgische Autoren in Deutschland noch wenig bekannt. Das liegt vor allem an Georgiens negativer Übersetzungs-Bilanz. Obwohl etwa die Hälfte der von Sulakauri und Elf veröffentlichten Bücher aus dem Ausland stammt, können die Verlage bisher wenige georgische Originalausgaben in andere Länder verkaufen. Eines der wenigen georgischen Werke, das in den vergangenen Jahren auf Deutsch erschienen ist, ist das Buch „Santa Esparanza“ (Pendo Verlag, 2006) von Aka Morchiladze. Diese ungewöhnliche Chronik eines Landes, das Georgien vielleicht hätte sein können, wäre es nicht im 19. Jahrhundert unter russische Herrschaft gelangt und später Teil der Sowjetunion geworden, hat die deutsche Kritik begeistert. Aka Morchiladze ist einer der erfolgreichsten und produktivsten georgische Gegenwartsautoren: Von ihm sind bislang 20 Bücher bei Sulakauri erschienen, viele davon waren Bestseller in Georgien. Für Tina Mamulashvili ist er der Autor mit dem größten Potenzial für Übersetzungen. Zu den jungen georgischen Talenten zählt der Schriftsteller und Dramatiker Lasha Bugadze, der 2007 mit dem BBC Playwright Award ausgezeichnet worden ist. Bugadze ist einer von vier jungen Autoren, die auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse am georgischen Gemeinschaftsstand an der Protestaktion „Georgian Writers Against Russian Agression“ teilnehmen werden. Neben Lasha Bugadze werden David Turasvhili, Rati Amaglobeli und Basa Janikashvili dann von ihren persönlichen Erfahrungen in den vergangenen Wochen erzählen und davon, was dieser Krieg für die Menschen in Georgien sowie für die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Landes bedeutet. „Viele Menschen haben in diesem Krieg ihr Zuhause verloren, Häuser wurden geplündert und die Infrastruktur beschädigt. Die Regierung braucht Geld für den Wiederaufbau und ohne internationale Unterstützung wäre die georgische Wirtschaft vor ernsthafte Probleme gestellt“, berichtet Verlegerin Tina Mamulashvili. Das betrifft auch den Buchmarkt: „Die Zuwachsraten des Marktes, die in den vergangenen drei Jahren sehr hoch waren, sind zurückgegangen“. Wie viele Georgier bewegt die Verlegerin die Sorge um die Zukunft: „Ich fürchte, dass Russland mit allen Mitteln versuchen wird, die Europäisch-Atlantische Integration Georgiens zu verhindern. Aber die Menschen hier wünschen sich nichts mehr, als ihren demokratischen Weg in Frieden weiterzugehen. Wir hoffen sehr, dass uns Deutschland und die anderen europäischen Länder weiterhin auf unserem Weg unterstützen werden.“ Am 17. und 18. Oktober um 15 Uhr sind die Schriftsteller David Turasvhili, Lasha Bugadze, Rati Amaglobeli and Basa Janikashvili am Georgischen Gemeinschaftsstand. Der georgische Gemeinschaftsstand auf der Frankfurter Buchmesse befindet sich in Halle 5.0, C 951.