Edition Nautilus

Dem Nonkonformismus auch künftig treu

9. Juli 2014
von Börsenblatt
Der Tod des Verlegers Lutz Schulenburg im Jahr 2013 markierte eine Zäsur. Nun, im Jubiläumsjahr, ist die Edition Nautilus dabei, sich neu aufzustellen und den Wechsel an der Verlagsspitze vorzubereiten. Mitgründerin Hanna Mittelstädt wird sich langsam aus dem Verlag ausfädeln, Lektorin Katharina Picandet wird Geschäftsführerin der neuen Nautilus GmbH. Das "anarchistisch-situationistische Profil" bleibt auch künftig bestimmend, hier und da wird es aber einige Akzentverschiebungen geben.

Das 40. Jahr der Edition Nautilus war ein außergewöhnliches. Nicht nur wegen des Jubiläums, sondern auch deshalb, weil es das erste Jahr ohne den "Frontmann" Lutz Schulenburg war. Am 1. Mai 2013 ist er gestorben, und sein 60. Geburtstag Mitte April ist auch vom Verlag und seinen Freunden gewürdigt worden.

Lutz Schulenburg hat unermüdlich für die Edition Nautilus und ihre Projekte geworben. "Er war unser kreativer Typ, hat aber auch einige chaotische Elemente in den Verlag hineingebracht – und sehr viele Räume geöffnet, die wir niemals alle hätten füllen können", sagt Hanna Mittelstädt. Der persönliche Verlust ist nach wie vor spürbar – und in der Branche hat der zu frühe Tod des Nautilus-Verlegers eine Leerstelle hinterlassen. Die wird jetzt nach und nach von denen gefüllt, die den Verlag weiterführen: Katharina Picandet, die ab 2015 die Geschäftsführung übernimmt, Klaus Voß in der Herstellung, Franziska Otto, die Veranstaltungen organisiert, und Katharina Florian, die sich um die Pressearbeit kümmert. 

Hanna Mittelstädt, die den Verlag mit Lutz Schulenburg gemeinsam gegründet hatte, wird sich langsam ausfädeln. An die Stelle der alten Edition Nautilus tritt 2015 die neue Nautilus GmbH, an der die Mitarbeiter beteiligt sind. "Für die Leser wird sich durch den Wechsel der Rechtsform nichts ändern. Auf den Büchern steht auch in Zukunft 'Nautilus'".

Das anarchistisch-situationistische Profil bleibt bestimmend

Größere Veränderungen in der programmatischen Ausrichtung sind nicht geplant. "Das anarchistisch-situationistische Profil mit seiner Mischung aus Literatur und Politik ist das Besondere, das bestimmt erhalten bleibt." Aus einem der verlegerischen Kraftakte der 80er Jahre, der Franz-Jung-Werkausgabe, werden die wichtigsten Titel in schönen Neuausgaben ediert, ebenso die damaligen deutschen Erstausgaben der klassischen Moderne (Arthur Cravan, Francis Picabia, Leonora Carrington). Die aktuellen politischen Eingreiftexte der Flugschriftenreihe werden fortgesetzt und haben unter anderem einen feministischen Schwerpunkt bekommen.

Die Programmarbeit des Verlags wird von einem zwölfköpfigen Beirat unterstützt, der zwei Mal im Jahr zusammentritt. Er setzt sich aus Buchhändlern, Autoren, Vertriebsleuten und Journalisten zusammen und hat bereits zweimal getagt. "Wir haben dabei zum Beispiel entschieden, das Krimi-Segment auszubauen und damit unser Krimi-Profil zu schärfen. Künftig werden zwei Krimis pro Halbjahr statt zwei Krimis jährlich erscheinen", sagt Mittelstädt.

Autoren im Mittelfeld werden noch gesucht

Nach dem Umsatzboom, den die Bestseller von Andrea Maria Schenkel ("Tannöd", "Kalteis") dem Verlag beschert haben, ist die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahren wieder schwieriger geworden: "Jedes Programm muss sich jetzt selbst tragen, Quersubventionierungen sind nicht mehr so einfach möglich", so Mittelstädt.

Nautilus hat Autoren unter Vertrag, die viel Kritikerlob ernten – wie beispielsweise Abbas Khider, der 2013 unter anderem mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund ausgezeichnet wurde, oder Matthias Wittekindt, der mit seinem Kriminalroman "Marmormänner" den Deutschen Krimi-Preis 2014 (Platz 3) erhielt. Auch die britische Autorin Laurie Penny ist eine Entdeckung der Edition Nautilus und konnte mit fünfstelligen Verkaufszahlen durchgesetzt werden. "Was uns aber wirklich fehlt", sagt Mittelstädt, "sind ein oder zwei weitere solide Autoren, die sich im Mittelfeld verkaufen – mit Auflagen zwischen 10.000 und 25.000 Exemplaren pro Titel. Das ist uns zum Beispiel auch mit Jochen Schimmangs Roman 'Das beste, was wir hatten' geglückt, so etwas bräuchten wir aber verlässlicher.“

Katharina Picandet ist designierte Geschäftsführerin

Ein Händchen für Autoren hat auch Katharina Picandet, die vor 20 Jahren bei Nautilus als Praktikantin begann, und in den vergangenen Jahren vor allem im Lektorat gearbeitet hat. "Als Geschäftsführerin werde ich zwar einige Lektoratsaufgaben abgeben müssen, aber bei den Programmentscheidungen bin ich natürlich dabei: Die werden auch künftig im Kollektiv entschieden", sagt sie, "und zwar nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern so lange, bis wir uns einig sind".

Es ist also manchmal viel Überzeugungsarbeit in alle Richtungen nötig, um einen Autor oder einen Titel durchzusetzen. Doch am Ende, das hat die Geschichte des Verlags bewiesen, bleiben nicht Kompromisskandidaten übrig, sondern Autoren, die für das stehen, was den Independent-Verlag immer schon ausgezeichnet hat: Mut zu unbequemen, ungewöhnlichen Themen und – Unabhängigkeit.