E-Book-Verkauf im stationären Sortiment

O’zapft is!

24. März 2015
von Nils Kahlefendt
Direkt im Laden laden? Und bar bezahlen? Wie sich E-Books einfach, sicher und ohne aufwändige technische Voraussetzungen lokal handeln lassen, ist eine Frage, die das stationäre Sortiment angesichts der Konkurrenz von Amazon & Co. verstärkt umtreibt. Mit booktree haben die Betreiber der E-Book-Boutique Minimore und die Designagentur bureau23 jetzt eine sympathisch reduzierte Lösung vorgestellt. Ihre Alltagstauglichkeit muss sie noch beweisen. 

In Dietmar Daths Roman „Feldevaye" zapft die künftige Menschheit ihr Super-Internet quasitelepathisch über Hirnchips an und sendet sich den Inhalt ganzer Bücher direkt in die grauen Zellen. Ganz so weit sind wir noch nicht: Obwohl die Digitalisierung rasant voranschreitet, harrt ein Grundproblem noch immer der Lösung: Wie lassen sich digitale Angebote im physischen Raum präsentieren? Das Ganze möglichst günstig, technisch leicht einsetzbar und dezent – Buchhandlungen, die als bessere Elektronikfachmärkte daherkommen, wünscht sich wohl keiner. Wirklich innovative Lösungsansätze sind rar – im letzten Jahr setzte genau hier der vom Forum Zukunft im Börsenverein gestartete Wettbewerb Arena digital an, der nach zukunftsweisenden analogen Erlebniswelten für digitale Inhalte suchte. Ideen wie Bookshelf 2.0 oder eBook 360, die wie überdimensionale Smartphones oder begehbare Touch-Point-Kioske daherkommen, wirken als Dummie zwar enorm schick und stylish, für die kleine Buchhandlung an der Ecke dürften sie aber, schon aus Kostengründen, kaum taugen.

Wie sich E-Books einfach, sicher und ohne aufwändige technische Voraussetzungen lokal handeln lassen, treibt seit geraumer Zeit auch Frank Maleu und Guido Stemme um. Ihre Antwort ist booktree  – ein System, mit dem Buchhändler ihre Kunden vor Ort in einem kuratierten Digital-Angebot stöbern, sie dabei auch beraten und direkt an der Ladenkasse bezahlen lassen können. Sobald das Geld in der Kasse klingelt, schaltet der Sortimenter den Kauf frei und der Kunde kann sich seine Titel über einen getunnelten Zugang zum Booktree-Server auf Smartphone, Reader oder PC downloaden. Einen Prototypen, der das Procedere simuliert, präsentierten die beiden auf der Leipziger Buchmesse. Maleus Intention: „Egal, ob sich ein Buchhändler für einen White-Label-Shop oder für eine aufwändige individuelle Lösung entscheidet – bislang schickt er seine Kunden immer wieder ins Netz zurück. Im Grunde beginnt an der Ladentür das Reich des Papiers.“ Gerade ältere Buchkäufer würden gern die Vorzüge elektronischen Lesens nutzen, kapitulierten aber oft vor den größeren und kleineren Hürden auf dem Weg dahin; mancher verzweifelt schon bei der Einrichtung eines Paypal-Accounts. Für die booktree-Tüftler war es wichtig, zu einer Lösung zu kommen, die sowohl Händlern als auch Kunden einen Verkaufsvorgang mit minimalem Aufwand ermöglicht – „genau so, wie sie es vom Papierbuch gewohnt sind“, ergänzt Stemme.

Kennengelernt haben sich die beiden, eine hübsche Volte, ausgerechnet auf der Mainzer Minipressen-Messe. Maleu gehört zum Team von alle3, das den Berliner SuKuLTuR Verlag sowie das Online-Feuilleton satt.org betreibt - und schon immer ein Näschen für ungewöhnliche Vertriebsformen hatte: Ihre Reihe „Schöner Lesen“ wird seit 2003 auch in Snackautomaten auf Berliner Bahnhöfen verkauft. Vor einem Jahr launchten die Berliner ihre E-Book-Boutique Minimore, eine Alternative zu Amazon, Apple & Co. Der Mainzer Produktdesigner und Entwickler Guido Stemme arbeitet mit seiner Agentur bureau23 seit 15 Jahren an der Schnittstelle von Design und Technik. Bereits zur Frankfurter Buchmesse 2013 wurde in kleiner Runde eine erste Funktionsstudie des booktrees (damals noch unter der Bezeichnung hotspot23) vorgestellt. Beim nun aufgesetzten Gemeinschaftsprojekt können sich Berliner und Mainzer Erfahrungen ideal bündeln: Minimore ist für die Inhalte verantwortlich, bureau23 kümmert sich um die technische Umsetzung.

Die Ansage der Buchhändler, mit denen Maleu und Stemme im Vorfeld gesprochen haben, waren eindeutig: Kein zusätzliches Möbelstück, keinen Eingriff ins Kassensystem! „Die eigentliche Schwierigkeit“, so Maleu, „war die Reduktion. Dafür haben wir uns lange Zeit nehmen müssen. Der Sortimenter vor Ort soll sich auf das konzentrieren können, was er gern macht und gut kann.“ Die ersten Reaktionen auf der Messe waren durchweg positiv – sowohl von Händlern, als auch auf Seiten der Rechteinhaber. Beim Speeddating des startup clubs, wo Maleu und Stemme ihr Projekt auch etablierten Verlagen vorstellten, stieß eine denkbare Mobil-Version von Booktree auf Interesse: Mit ihr könnte der traditionelle Büchertisch nach Lesungen künftig eine elektronische Ergänzung finden.

Kein „kurzlebiges Start-up mit einer hippen Idee“ will booktree sein, lieber setzt man auf Beständigkeit und verlässliches unternehmerisches Handeln. Das braucht Zeit, um so mehr, wenn man nicht auf schnelle Investoren-Kohle schielt, sondern das Projekt aus eigener Kraft vorantreiben möchte. Die Entwickler in Mainz werden weitere zwei bis drei Monate am System schrauben; der in Leipzig vorgestellte Prototyp kam noch ohne Abrechnungssystem aus. Im nächsten Schritt will booktree zehn Pilot-Buchhandlungen mit dem System ausrüsten - der große Elchtest steht dem Bücherbaum also noch bevor.