In der Begründung der Jury heißt es: "Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den Georg-Büchner-Preis 2016 an Marcel Beyer. Sie zeichnet damit einen Autor aus, der das epische Panorama ebenso beherrscht wie die poetische Mikroskopie. Ob Gedicht oder Roman, zeitdiagnostischer Essay oder Opernlibretto, für Marcel Beyer ist Sprache immer auch Erkundung. Er widmet sich der Vergegenwärtigung deutscher Vergangenheit mit derselben präzisen Hingabe, mit der er die Welten der Tiere und Pflanzen erforscht. Er hat den Sound der Straße im Ohr, er kennt die Testgelände der ästhetischen Avantgarden, er ist vertraut mit der tückischen Magie der Medien. Seine Texte sind kühn und zart, erkenntnisreich und unbestechlich. So ist während dreier Jahrzehnte ein unverwechselbares Werk entstanden, das die Welt zugleich wundersam bekannt und irisierend neu erscheinen lässt."
Marcel Beyer, geboren am 23. November 1965 in Tailfingen/Württemberg, lebte in Köln, bevor er 1996 nach Dresden umzog. Er studierte Literaturwissenschaften in Siegen und schloss sein Studium 1992 mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker ab. Von 1989 bis 2000 gab er gemeinsam mit Karl Riha die Reihe "Vergessene Autoren der Moderne" heraus. Von 1992 bis 1998 veröffentlichte er in der Musikzeitschrift "Spex".
1991 debütierte Beyer als Romanautor mit dem Buch "Das Menschenfleisch", im selben Jahr erschienen Gedichte unter dem Titel "Walkmännin". Einer breiten, auch internationalen Öffentlichkeit wurde Marcel Beyer 1995 mit seinem Roman "Flughunde" bekannt. Darin erzählt er vom Zweiten Weltkrieg, von der Instrumentalisierung der Sprache durch die Propaganda und von Experimenten mit menschlichen Stimmen. Es folgten die Lyrikbände "Falsches Futter" (1997) und "Erdkunde" (2002) sowie die Romane "Spione" (2000) und "Kaltenburg" (2008). Beyer macht hier erneut die Gegenwärtigkeit des Vergangenen sichtbar und zeigt, wie sich Wissenschaft in Literatur "übersetzen" lässt (Kaltenburg), so die Akademie-Mitteilung. Ebenso veröffentlichte er Erzählungen, Essays wie "Nonfiction" (2003) und "Putins Briefkasten. Acht Recherchen" (2012). 2014 legte Marcel Beyer seinen Gedichtband "Graphit" vor, eine in zwölf Jahren angewachsene Gedichtsammlung, in der er seine Erforschungen von Sprache, Landschaften und Kulturen weiter fortsetzt.
Marcel Beyer hat zahlreiche Poetikdozenturen wahrgenommen, zuletzt, im Januar/Februar 2016, hielt er die Frankfurter Poetikvorlesung "Das blinde (blindgeweinte) Jahrhundert". Im April dieses Jahres kuratierte er die Veranstaltungsreihe "Sprache und Wissen" im Haus der Kulturen der Welt, Berlin.
Seit 2003 arbeitet Marcel Beyer als Librettist mit dem Komponisten Enno Poppe zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit sind bislang drei Opern hervorgegangen ("Interzone" 2004, "Arbeit Nahrung Wohnung" 2008, „IQ" 2012). 2014 schrieb er das Libretto zu Manos Tsangaris "Karl May, Raum der Wahrheit" (Semperoper Dresden).
Marcel Beyer wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Uwe-Johnson-Preis 1997 und dem Joseph-Breitbach-Preis 2008, in den letzten Jahren folgten: Oskar Pastior-Preis und Kleist-Preis 2014, Bremer Literaturpreis 2015 und Düsseldorfer Literaturpreis 2016.
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Bibliografie (Auswahl):
"Sie nannten es Sprache". Brueterich Press 2016
"Muskatblut, Muskatblüt". Stiftung Lyrik Kabinett/Wunderhorn 2016
"Graphit". Gedichte. Suhrkamp 2014
"Putins Briefkasten. Acht Recherchen". Suhrkamp 2012
"XX. Lichtenberg-Poetikvorlesungen". Wallstein 2015
"Kaltenburg". Roman. Suhrkamp 2008
"Aurora". Essay. Stiftung Lyrik Kabinett 2006
"Vergeßt mich". Erzählung. Dumont 2006
"Nonfiction". Essays. Dumont 2003
"Erdkunde". Gedichte. Dumont 2002
"Zur See". Prosa. Radierungen: Andreas Zahlaus. Warnke 2001
"Spione". Roman. Dumont 2000
"Falsches Futter". Gedichte. Suhrkamp 1997
"Flughunde". Roman. Suhrkamp 1995
"Brauwolke". Gedichte. Papier: John Gerard, Papiergüsse: Klaus Zylla. Berlin: Warnke 1994
"Walkmännin". Gedichte 1988 / 1989. Patio 1991
"Das Menschenfleisch". Roman. Suhrkamp 1991
"Kleine Zahnpasta". Gedichte 1987−1989. dead language press 1989
"Obsession". Prosa. Okeanos Presse 1987
Der Georg-Büchner-Preis
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verleiht seit 1951 den Georg-Büchner-Preis an herausragende Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Der Preis wird finanziert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stadt Darmstadt.