Chefsache Arbeitssicherheit

Safety first

28. September 2017
von Börsenblatt
Arbeitssicherheit wird in vielen Betrieben zu einem zentralen Führungsanliegen, schreibt Stefan Bartel. Doch dazu gehört heutzutage weitaus mehr als Schutzkleidung oder ein ergonomischer Arbeitsplatz.

Wenn ein Monteur sich an der Werkbank mit dem Hammer auf den Finger haut, muss dies nicht allein an fehlenden Schutzmaßnahmen liegen. Sicherheit am Arbeitsplatz, dieser Gedanke setzt sich in Unternehmen zunehmend durch, beginnt bei der persönlichen Einstellung jedes einzelnen Mitarbeiters.

Diese durch eigenes Verhalten zu beeinflussen, wird zu einer immer wichtigeren Aufgabe von Vorgesetzten, wie Stefan Bartel in seinem Buch "Kulturwandel. Wie Führungskräfte mit Arbeitssicherheit Unternehmen zu Spitzenleistungen führen" schreibt (Wiley-VCH, 331 S., 29,99 Euro). Für ihn ist Arbeitssicherheit längst Teil der Unternehmenskultur (beziehungsweise sollte es sein), wirkt sich wiederum auf diese aus und entscheidet über den Unternehmenserfolg.
Anhand von Beispielen zeigt der Diplom-Ingenieur, Redner und Coach, welche Folgen Betriebsunfälle haben können. Aus Unternehmenssicht in erster Linie wirtschaftliche: Die Fehlzeiten der Mitarbeiter steigen, aber auch der Ruf bei Auftraggebern und Kunden kann heutzutage Schaden nehmen, wenn entsprechende Statistiken bekannt werden. Vor allem für den Mittelstand wird Arbeitssicherheit daher zu einem bedeutenden Faktor für die Unternehmensentwicklung, ja sogar zu einer Kennzahl im Controlling.

Dazu gehört längst mehr als Schutzkleidung, Beleuchtung am Arbeitsplatz oder ein rückenschonender Bürostuhl. "Die Aufgabe der Führungskraft der Zukunft wird sich weit stärker als heute auf die Motivation der Mitarbeiter konzentrieren", glaubt Bartel. Rein sachliche oder gar autoritär-patriarchalische Führungsstile hätten ausgedient. Er nennt es "intelligentes Führungsverhalten" – der Chef oder Abteilungsleiter sollte sich für die Menschen hinter der Personalnummer interessieren. Er oder sie sollte auf die Mitarbeiter und deren Interessen eingehen, gleichzeitig aber die Ziele und Interessen des Unternehmens im Auge behalten.

In Deutschland gibt es da offenbar Nachholbedarf. Bartel ­zitiert eine Studie, wonach mehr als drei Viertel aller Arbeit­nehmer unmotiviert zur Arbeit gehen oder sogar innerlich bereits gekündigt haben. "Das ist ein gewaltiges Problem, und schuld daran ist in erster Linie die Unternehmenskultur, die entweder niemand kapiert, keiner beachtet oder die nicht die gelebten Werte und Normen glaubwürdig widerspiegelt." In seiner 30-jährigen Arbeit als Trainer hat Bartel nach eigenen Angaben nur in den wenigsten Firmen erlebt, dass die gewünschte Unternehmenskultur tatsächlich in der täglichen Praxis gelebt wird. Entsprechend sei das Verhalten der Angestellten "gerade in puncto Arbeitssicherheit immer ein direkter Spiegel der Führungsleistung der Vorgesetzten".

Hier müssten Führungskräfte als Vorbilder vorangehen. Bartel beschreibt die dafür notwendigen Eigenschaften: Zuverlässigkeit, Begeisterungsfähigkeit, integres und kommunikatives Verhalten und strategisches Denken. Alles in allem sei die ideale Führungsfigur, die sich auf die Unternehmenskultur und somit auf die Arbeitssicherheit positiv auswirkt, ein "interner Multiplikator".

Vor allem in den USA – wo sonst? – haben viele Unternehmen bereits die Position eines "Safety Culture Managers" eingerichtet. Bartel erklärt ausführlich die Rahmenbedingungen dieser Rolle, liefert Leitlinien und Checklisten, wie auch Führungskräfte hierzulande in eine solche Rolle hineinwachsen können (alternativ kann man dafür auch extern jemanden beauftragen). Allerdings stehen in den USA bei Arbeitsunfällen die Unternehmen in der Haftung – und nicht, wie in Deutschland, die Berufsgenossenschaften.