Buchmesse London

"Wir müssen uns ständig etwas Neues einfallen lassen"

16. Juli 2015
von Nicola Bardola
In zwei Stunden geht die London Book Fair, die unter dem Motto "Making words go further" stand zu Ende. Literaturagenten feilschten um Lizenzsummen, Amazon sponserte das Übersetzerzentrum, Nick Hornby wetterte über die Nichtrealisierung von Drehbüchern britischer Schriftsteller - und überall wurde über den Umzug der Buchmesse von Earls Court nach Olympia debattiert.
"More deals!" wünschen sich die Agenten und Lizenzhändler der Verlage, allein der große Superdeal scheint bislang noch auszustehen - oder muss bis Frankfurt warten. Aktuelle Besucherzahlen der London Book Fair werden für morgen erwartet - fühlbar war heute noch mehr Publikum als an den vorhergehenden Tagen auf der Messe unterwegs.

 

 

Auffallend im "International Rights Center" (IRC) war der zunehmend hohe Aufwand, der von Agenten betrieben wird, um ihre Bücher bestmöglich zu platzieren. "Vor zehn Jahren hatten wir kaum Konkurrenz, jetzt müssen wir uns ständig etwas Neues einfallen lassen", sagt Tor Jonasson von der Salomonsson Agency aus Stockholm. Im Halbstundentakt stellt Jonasson Verlegern aus aller Welt sein neues Autorenduo Roslund und Thunberg vor. Für deren Räuber-Vater-Sohn-Geschichte "Made in Sweden" hat er verschiedene Stofftaschen, Pins und einen Hochglanzprospekt hergestellt, so als handle es sich schon heute um einen Bestseller, obwohl das Buch noch nicht erschienen ist. "Das erleichtert den Lektoren die Überzeugungsarbeit, wenn sie wieder zu Hause sind. Dort müssen sie dem Vertrieb und den Marketing- und Presseabteilungen nur unsere Materialien in die Hand drücken, um deutlich zu machen, welches Potenzial in diesem Buch steckt. Dreamworks hat sich schon die Filmrechte gesichert", freut sich Jonasson. Er geht davon aus, dass kurz nach der LBF "Made in Sweden" in gut 20 Ländern für jeweils sechstellige Summen verkauft ist.
Das IRC bietet weitere Besonderheiten, u.a. ist amazon.com prominent vertreten. Die Rechteliste, die dort angeboten wird, hat Telefonbuchgewicht. "Wir verstehen uns als Autorenverlag. Unsere wichtigsten Partner sind die Autoren, die Übersetzer und natürlich die Leser", erklärt Sarah Jane Gunter im Literary Translation Centre, wo Amazon - auf der LBF auch als Plattform für Selfpublisher weitverzweigt - als einer von drei Hauptsponsoren auftritt. Gunter arbeitet in der Zentrale in Seattle als Director von Amazon Publishing International. Bei ihr laufen die Fäden des auch in Deutschland rasch wachsenden Verlagsgeschäfts zusammen. "Wir unterscheiden uns in einigen Punkten von herkömmlichen Verlagen. Unsere Autoren freuen sich darüber, dass wir ihnen die Möglichkeit bieten, in allen denkbaren Formaten bei uns zu veröffentlichen. Zudem sind wir sehr schnell", betonte Gunter. US-Agenten hätten ihr bestätigt, dass die Aussicht für sie und ihre Autoren attraktiv sei, in weniger als einem halben Jahr nach der Vertragsunterzeichnung das gedruckte Buch in der Hand zu halten. "Wir bezahlen dann die Honorare monatlich", so Gunter.

Wer sich auf der LBF nicht um Lizenzen bemüht, der kann an den drei Messetagen aus einem Rahmenprogramm mit mehr als 270 Veranstaltungen auswählen. Es ist in neun Kategorien unterteilt:

- Autoren als Mittelpunkt des Buchgeschäfts
- Marken und Rechte
- Kinder und Bildung
- Das Buchgeschäft rund um die Welt
- Literarisches Übersetzen
- Schwerpunkt Auszubildende
- Schwerpunkt Schule
- Crossmedia - Gaming, Film und TV

 

Einer der Höhepunkte war das Podiumsgespräch "Stenography in Light: What makes a good book to film adaptation?" Nick Hornby erklärte die Unterschiede zwischen der Arbeitsweise von Romanautoren und Drehbuchautoren. "Vieles ist im Wandel: Romane repräsentieren den kulturellen Dialog in der Gesellschaft nicht mehr so wie früher", sagte Hornby, der bis vor kurzem bei HBO unter Vertrag war: "Ich werde nie wieder für das US-Fernsehen arbeiten. Für Kreative ist die Ungewissheit, wie und ob überhaupt die Geschichte am Ende umgesetzt wird, tödlich. Ein Drehbuch ist nichts, so lange es nicht verwirklicht wird. Ein Roman ist immerhin auch ein Roman, wenn er nicht veröffentlicht wird", sagte Hornby und wies darauf hin, dass HBO fast gleichzeitig fünf weitere prominente britische Autoren verpflichtet hatte, unter ihnen Zadie Smith, und kein einziges dieser Projekte sei verwirklicht worden, auch seines nicht. "Wollte das US-TV die britischen Romanautoren blockieren?", wunderte sich Ed Wethered von der BBC. Einig war sich das Podium, dass das Fernsehen an Bedeutung gewinnt, nicht zuletzt wegen der neuen interaktiven Möglichkeiten und der wachsenden Bedeutung der Zuschauer im Verhältnis zu den Programmmachern.
Auch die Londoner U-Bahn lässt sich auf Literatur ein: Sie begrüßt die Messegäste auf dem Weg zwischen Haltestelle und Messegelände mit einem Gedanken des Tages - und alle zücken ihr Handy und halten den Gedanken fotografisch fest