Bilanz der Buchhandlung Köhl in Erftstadt

Die nächste Generation steht bei Köhl in den Startlöchern

26. Juni 2015
von Börsenblatt
Zahlreiche Aktivitäten, Leerstände im Einkaufscenter und ein Nachfolger: Rolf Köhl, Inhaber der gleichnamigen Buchhandlung in Erftstadt, zieht Bilanz. In den kommenden Monaten wird Sortimenter Jörg Bremser schrittweise das Gewschäft übernehmen.

Der Einzelhandel hat es in Deutschland nicht gerade einfach. Das weiß auch Rolf Köhl, doch statt zu lamentieren, blickt der 70-jährige Buchhändler hoffnungsvoll in die Zukunft. "Bei der Bedrohung durch den Online-Handel gehört unsere Branche zu den Ersten, die sich gewehrt hat. Da sind wir weiter als andere Bereiche und in den USA zeigt sich der Trend, dass der Online-Handel mehr schwächelt als der stationäre Handel", sagt Köhl, der gerade seine eigene, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Marketing entwickelte Kauf-App an den Start gebracht hat, über die Kunden jederzeit online Bücher suchen und ordern können.

"Wer bei uns abends ein Buch bestellt, kann es am nächsten Morgen abholen. Da sind wir schneller als der Online-Handel", sagt Köhl selbstbewusst. Kunden können über die kostenfreie App bestellte Titel in einer der beiden Erftstädter Filialen abholen oder sich die Bücher bundesweit mit der Post zuschicken lassen. Geworben wird für das erweiterte Multi-Channel-Angebot im Laden, über die Kundenzeitschriften und per Facebook. "Über den QR-Code im Magazin kommt man direkt zur App", erläutert Buchhändler Jörg Bremser das gerade einen Monat alte neue Angebot.

Er wird als Nachfolger von Rolf Köhl schrittweise die Buchhandlung mit ihren zehn Mitarbeitern übernehmen. Dazu wurde eine KG gegründet, bei der Bremser nach und nach seine Einlagen erhöhen wird. Begleitet wird diese Übernahme durch einen Steuer- und Unternehmensberater. "Es fällt schwer, aber man muss auch hier als Buchhändler Verantwortung übernehmen", sagt Köhl, der in seiner Karriere mehr als 100 junge Sortimenter ausgebildet hat. Gerade hat er mit Katrin Bohnen eine ehemalige Auszubildende als neue Mitarbeiterin übernommen.

Sorgen bereitet ihm und seinem Nachfolger derzeit die Lage der Filiale im Einkaufscenter im Stadtteil Liblar, wo die Leerstände zunehmen: "Seitdem der große Penny-Markt gegenüber zugemacht hat, ist unser Umsatz und die Kundenfrequenz dort um etwa ein Drittel gesunken", berichtet Köhl.

Und es ist nicht die einzige kritische Entwicklung in dem für Erftstadt wichtigen Stadtteil. So soll dort der Standort der Stadtbücherei zugunsten einer Zentralbibliothek aufgeben werden. "Es wäre eine Möglichkeit, in unserer Filiale dort einen Bereich einzurichten, wo man auch Bücher ausleihen kann. Das ist mir nicht fremd – mein Vater hatte im Kölner Stadtteil Rodenkirchen eine mit der Buchhandlung kombinierte Leihbücherei", sagt Köhl. Dabei erkennt er in solch einem Angebot keine Konkurrenz für das eigene Geschäft. "Damit kann man Appetit auf Bücher machen. Beides kann parallel funktionieren."

Und der Appetit auf Bücher ist für ihn im lese- und kulturfreudigen Erftstadt durchaus gegeben. "Nach einer Studie werden in Deutschland pro Jahr und Person elf Bücher gekauft. Das würde für Erftstadt mit seinen 50.000 Einwohnern pro Jahr einen Umsatz von etwa sechs Millionen generieren. Bei uns bleibt aber nicht mal ein Million Umsatz. Da gibt es noch viel Potenzial, das bislang nach auswärts und in den Online-Handel abfließt", sagt Köhl.

Das ist für ihn auch ein Grund, sich bei der bundesweiten Buy-Local-Initiative zu engagieren. Praktisch umgesetzt wird dies beispielsweise bei der Kooperation mit dem Verein Köttinger Dorfleben. Dabei können Kunden im Dorfladen des Erftstädter Stadtteils Bücher bestellen und auch vor Ort Bücher wie Bestseller und regionale Literatur direkt kaufen. "Hier hatten wir direkt am ersten Tag die erste Bestellung", freut sich Köhl. Weitere Kooperationen gibt es unter anderem mit der "Kulturzeit der Stadt Erftstadt" mit fünf Veranstaltungen im September oder mit dem Kulturkreis e.V., wo es unter anderem Veranstaltungen mit Denis Scheck und Elke Heidenreich gibt. Dazu kommen die "Mädels-Literatur-Abende" und die Krimi-Abende "Aus der Hüfte geschossen" mit regionalen Autoren.

Zu den erfolgreichen Aktionen der Buchhandlung zählt die Umtausch-Aktion "Neue Bücher für alte D-Mark", die laut Köhl jedes Jahr "ein paar 1.000 Euro" Umsatz bringen. Angeboten wird diese Aktion immer phasenweise, wie jetzt zum Ferienbeginn in NRW. "Das Geld, das die Kunden bringen, reicht vom vollen Sparschwein mit Münzen bis zu großen Scheinen", berichtet Jörg Bremser.

Engagiert wird von der Buchhandlung seit Jahren der Lesenachwuchs gefördert. So besuchen seit 2009 am Welttag des Buches bis zu zehn Schulklassen die Buchhandlung, wo es eine Führung und Infos zur Bücherherstellung gab. "Für viele war das der erste Kontakt mit einer Buchhandlung. Man muss hier die Kunden von morgen abholen", sagt Köhl, der im September auch eine Weltrekord-Lesung mit Stefan Gemmel in der Aula eines lokalen Schulzentrums organisiert.

Mit seiner Buchhandlung hat er sich für den ersten "Deutschen Buchhandelspreis" der Bundesregierung beworben. "Es geht uns dabei um die öffentliche Anerkennung und um den Versuch, mehr Bewusstsein bei der Bevölkerung für die Angebote des Einzelhandels vor Ort zu schaffen", sagt Köhl. Dazu will er auch den Austausch mit den Kunden deutlich intensivieren. Zehn Kunden haben bislang in einem Beteiligungsmodell Anteilsscheine in Höhe von 500 Euro erworben; diese bieten eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozent als Kauf-Gutschein.