Antiquariat

"Altbücherland ist abgebrannt"

3. August 2016
Redaktion Börsenblatt
Tilman Spreckelsen schreibt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 28. Juli über die Krise des Antiquariatshandels und erzielt damit große Resonanz. Ist das Bild zu einseitig?

Das Bild, das Spreckelsen in seinem Artikel (siehe hier) über "das Antiquariat" zeichnet, ist recht düster und fast durchgehend pessimistisch. Ausgangspunkt ist die Geschäftsaufgabe des Frankfurter Antiquariats Sellner, Stein & Partner (boersenblatt.net berichtete hier). Als Bestätigung für die "Dezimierung" des "klassischen Antiquariatswesens" wird Peter Rudolf von der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) zitiert. Die demographische Entwicklung sorge für einen Bibliotheksüberhang, gleichzeitig wachse das Desinteresse am gedruckten Buch. Auch die Abwärtspreisspirale wird angeführt. Die Antiquare, die davon träumen, "irgendwo ein Lager zu mieten, das sie randvoll mit wertvollen Ausgaben stopfen, um sie irgendwann, wenn der Spuk vorbei ist, teuer anzubieten", bleiben leider unbenannt.

Spreckelsen hat mit seinem Beitrag jedenfalls eine erhebliche Resonanz erzielt, schaut man beispielsweise auf die Leserkommentare und -empfehlungen oder einen Blog-Kommentar (hier) von Harald Kugler. Ob aber seine Darstellung wirklich so treffend und vor allem vollständig ist? Buchauktionen, oft sehr erfolgreich und wirtschaftlich sehr relevant, finden keine Erwähnung. Nicht unterschieden wird zwischen dem Handel mit neueren gebrauchten Büchern, der hauptsächlich über die bekannten Plattformen abgewickelt wird und vielfach unter starkem Druck steht, und dem eigentlichen Seltenheitsantiquariats, in dem wiederum das moderne Antiquariat eine geringe Rolle spielt, umso mehr aber der internationale Handel.

Schließlich hätte man sich von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in den letzten Jahren eine breitere Berichterstattung über Antiquariatsthemen gewünscht – diese wurde aber im Gegenteil weitgehend eingestellt, berichtet wird im umfangsmäßig stark eingedampften "Kunstmarkt" fast nur noch über den Kunsthandel. Unbeachtet sind deshalb leider viele wichtige Antiquariatskataloge und die oftmals sehr interessanten Aktivitäten einer (zugegeben kleinen) Gruppe jüngerer Antiquarinnen und Antiquare geblieben. Nicht bestreiten lassen sich die vielen Geschäftsaufgaben und für das alte Buch tendenziell ungünstigen gesellschaftlichen Entwicklungen, aber es sind nicht nur Abbrüche, es findet auch ein Wandel statt, dessen Ausgang womöglich doch offen und damit auch gestaltungsfähig ist …