Buchgemeinschaften – memento mori?

8. Juli 2010
Redaktion Börsenblatt
Die unterschiedlichen Absatzkanäle des Buchhandels spiegeln die Unterschiede zwischen den Lesern bzw. Buchkäufern wider. Wie sieht es mit den Buchgemeinschaften als Absatzkanal aus und was tun sie gegen ihren Mitgliederrückgang? Ein Überblick von Cornelia Weileder.

In dem Werk „Buchgemeinschaften im deutschen Buchmarkt“ von 1995 stellte Michael Kollmansberger fest, dass der traditionelle Buchhandel nur einen Teil des möglichen Publikums bedient. Aus welchen anderen Quellen erhalten Buchkäufer ihren Lesestoff? Buchgemeinschaften stellen meines Erachtens den Teil dar, der die Vielleser bedient. Sie treten, um Kosten zu sparen, in eine Buchgemeinschaft ein. In unserer Zeit müssen sich Buchgemeinschaften allerdings mit einem enormen Mitgliederschwund auseinandersetzen. Die historischen Einnahmequellen, sprich die Kolportage um 1900 und die Vermittlung von Volksklassikern an weniger gebildete Volksschichten, spielen inzwischen keine Rolle mehr.

Ganz ohne Kommerz

 

Wie also können Buchgemeinschaften nach dem enormen Mitgliederschwund der 80er und 90er Jahre ihr Überleben sichern? Zwei große Schritte haben die Buchgemein-schaften bereits weiter gebracht. Erstens die Einführung des Taschenbuchs und zweitens die Abschaffung des Kaufzwangs. Ein glänzendes Beispiel dafür, wie sich Buchgemeinschaften in unserer Zeit behaupten können, ist die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt WBG. Sie wurde 1949 gegründet, als einige Professoren im Krieg verloren gegangene oder zerstörte Literatur einem breiten Leserkreis wieder zugänglich machen wollten. Die WBG besitzt ca. 140.000 Mitglieder weltweit und sie setzt auf ein wissenschaftliches Lesepublikum, das Wert auf inhaltlich und gestalterisch hochwertige Bücher legt, dem die hohen Preise wissenschaftlicher Bücher bekannt sind und das die reduzierten Preise zu schätzen weiß. In ihrer Selbstdarstellung wird jedoch betont, dass das Unternehmen nicht kommerziell ausgerichtet ist und erwirtschaftete Gewinne zur Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur eingesetzt werden.

 

 

Erlesenes aus der Buchgestaltung

 

Eine weitere Buchgemeinschaft ist die Büchergilde Gutenberg, die 1924 vom Bildungsverband der deutschen Buchdrucker gegründet wurde. Sie besitzt ca. 100.000 Mitglieder und setzt laut dem Motto des ersten Vorsitzenden Bruno Dreßler nur auf das „Beste vom Besten“. Die hochwertige Gestaltung der Bücher ist neben dem anspruchsvollen Programm einer der Schwerpunkte des Verlags. Bereits über 150 Auszeichnungen der Stiftung Buchkunst für "Die schönsten deutschen Bücher" haben sie erhalten.

 

 

Undurchsichtige Größe

 

Ganz anders aufgebaut ist dagegen der Bertelsmann Club. Auf der offiziellen Website ist es sehr schwierig, genaue Zahlen zu den Mitgliedern zu finden. Vielleicht hat jemand anders mehr Glück. Wikipedia verrät, dass sich die Mitgliederzahl seit den 1970/80er Jahren von 6 auf 3,3 Mio. reduziert hat. Obwohl man bei Wikipedia immer vorsichtig sein muss, woher die Zahlen kommen, zeigt es doch, dass der Club seit einiger Zeit wohl in Schwierigkeiten steckt. Auch der Verkauf von Geschäftsanteilen in nicht-europäischen Ländern lässt diesen Schluss zu.

 

 

Überlebensstrategien

Während die zuerst genannten kleinen Buchgemeinschaften eine konstante Mitgliederzahl aufweisen, hat der Bertelsmann Club Schwierigkeiten, seine Mitglieder zu halten. Wenn man über die Zukunft der Buchgemeinschaften spricht, spielen also die folgenden Überlegungen eine Rolle: Ist es sinnvoll, ein Programm aufzustellen, das nicht fest umrissen ist und zudem Gartendeko und Haushaltsgeräte beinhaltet? Man darf nicht vergessen, dass der Club ein internationales Unternehmen ist und deshalb ganz anders agieren muss, als die kleineren Buchgemeinschaften, aber für das Geschäft im Inland gelten dieselben Regeln. Des Weiteren müssen die unterschiedlichen Zielgruppen betrachtet werden und genau da liegt meines Erachtens das Problem. Der Club spricht ein sehr breites Publikum an, das langsam wegbröckelt, da die Käufer über das Internet andere Zugänge finden, um billig an das zu kommen, was sie wollen. Die Büchergilde und die WBG hingegen haben sich auf eine Leserschaft eingestellt, die tatsächlich liest. Dieses Lesepublikum nimmt den Inhalt und die Qualität der Buchgestaltung genau unter die Lupe. Deshalb scheinen zwei Voraussetzungen für die Zukunft einer Buchgemeinschaft unabdingbar zu sein – der Anspruch an das Programm und die Qualität der Buchgestaltung.