Meinung: Bestseller

5 Sterne, bitte!

10. Februar 2011
Redaktion Börsenblatt
Warum Autoren nicht zaghaft sein dürfen, wenn sie Erfolg haben wollen. Von Markus Barth, der zuletzt das Buch mit dem schönen Titel »Der Genitiv ist dem Streber sein Sex« geschrieben hat.
Drei Wochen nach Erscheinen meines Buchs ruft mich mein Lektor an und brüllt: »Platz 9! Dein Buch ist bei Amazon auf Platz 9 der erotischen Literatur!«
»Ähm ... kann ich das Wort vor ›Literatur‹ noch mal hören?«, frage ich.
»Ja, keine Ahnung, wie es auf diese Liste kommt. Ist doch auch egal. Platz 9! Mit ein bisschen Glück überholst du noch ›Hurenherz‹ und ›Gefangener der Begierde‹. Wobei die natürlich beide sehr gut sind.«
Dann ergänzt er: »Und jetzt sag mal deinen Freunden, die sollen sich rezensionstechnisch ein bisschen ins Zeug legen.«

Ich muss instinktiv lachen: »Ha, du willst doch nicht, dass ich meine Freunde um irgendwelche Kritiken anbettle, oder?«
Mein Lektor lacht ebenfalls: »Ha, natürlich nicht. Du sollst sie um positive Kritiken anbetteln. Macht schließlich jeder. Kennst du nicht die goldene Vierer-Regel? Rezen­sion 1 bis 3 kannste bei Amazon immer überspringen. Die sind von den besten Freunden. Ab Nummer 4 wird’s interessant.«
Ich denke kurz nach. Zum einen darüber, wie verderbt die Welt doch ist. Zum anderen, warum meine besten Freunde noch nicht mal auf diese Idee gekommen sind.

Die nächsten Tage verbringe ich damit, mir eine möglichst unpeinliche Art zu überlegen, wie ich meinen Bekanntenkreis um Bewertungen bitten könnte. Mir fällt keine ein.
Eine Woche später ruft mein Lektor wieder an: »Wo bleiben die Kritiken?«
»Ich kann das nicht«, antworte ich genervt. »Ich würde sterben vor Scham.«
»Für sein erstes Buch darf man ruhig ein bisschen sterben«, antwortet er. »Aber gut, wenn du meinst. Du bist übrigens mittlerweile auf Platz 37 abgerutscht. Noch hinter ›Wollust am Werwolfshügel‹. Aber das scheint dir ja egal zu sein.«

Ist es mir leider nicht. Ich verabrede mich deshalb mit meinem Freund Mike zu einem Kneipenabend, und als wir beide schon alle Lichter anhaben, sage ich zu ihm: »Follender Vorschlach: Ich sahl den Deggel, dafür schreibst du mir was Nettes bei Amazon rein, okee?«
Mike stimmt sofort zu.

Am nächsten Morgen wache ich nicht nur mit dröhnenden Kopfschmerzen, sondern auch mit dem schlechtesten Gewissen meines Lebens auf. Ich habe es getan. Und ich habe sogar Geld dafür bezahlt. 34 Euro. Für 18 Kölsch und zwei Packungen Erdnüsse. Ich rufe sofort Mike an, um die Sache abzublasen.
»Zu spät«, sagt er, nicht ohne Stolz. »Hab ich gestern Nacht noch gemacht.«
Ich schaue hektisch bei Amazon nach und sehe sofort die Rezension von einem gewissen »GratistrinkerKöln«. Sehr nette, wenn auch – vermutlich alkoholbedingt – etwas wirre Worte. Doch dann fällt mir etwas auf.
»3 Sterne?«, frage ich Mike.
»Klar, ist doch gut, oder?«
»Nein! 5 Sterne ist gut! 3 Sterne ist überhaupt nicht gut!«, antworte ich fassungslos.
»Markus, ich hab mal recherchiert«, erklärt Mike. »Die Einheitsübersetzung der Bibel hat 4 Sterne. Da kann ich dir ja wohl keine 5 geben.«
»Warum denn nicht?«
»Du willst doch nicht sagen, dass dein Buch besser ist als die Bibel?«
»Nein, natürlich ... ich mein ... Aber der Sinn war doch ...«, stammle ich. Dann fällt mir nichts mehr ein. Außer ein kraftloses: »Du schuldest mir 17 Euro.«

Ich lege auf und akzeptiere die 3 Sterne als gerechte Strafe für meinen Prinzipienverrat. Da erreicht mich eine E-Mail meines Lektors: »Na bravo. Jetzt ist auch noch ›Die Pestärztin der Lust‹ an dir vorbeigezogen.«
Ganz ehrlich: Ich war schon mal trauriger.