Gibt es bei der Preisbindung für E-Books Ermessensspielraum oder ist das Gesetz eindeutig?
Russ: Schon 1997 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass elektronische Produkte preisgebunden sein können, wenn sie dazu geeignet sind, Bücher zu substituieren. Damals gab es noch den Sammelrevers, der es jedem Verlag ja freistellte, Preise für Bücher festzulegen. Aus dieser Zeit rührt bei vielen Branchenteilnehmern der Eindruck her, man könne frei wählen, ob man den Preis für ein Buchprodukt bindet oder nicht. Dabei hat das Buchpreisbindungsgesetz 2002 hier eine Zeitenwende gebracht: Alle Bücher müssen preisgebunden werden. Damit stellt sich jetzt nur noch die Frage: Was alles ist ein Buch? Und genau die gilt es, in Bezug auf E-Books zu beantworten.
Und wie fällt die Antwort aus?
Russ: Im Gesetz steht, analog zum BGH-Urteil von damals, dass Bücher eben auch solche Produkte sind, die Bücher reproduzieren oder substituieren.Das ist bei E-Books eindeutig der Fall, wenn sie auf ein Lesegerät geladen werden. Deshalb besteht aus unserer Sicht schon seit 2002 für Verlage die Verpflichtung, E-Books im Preis zu binden und für den Handel, sie zum gebundenen Preis zu verkaufen.
Warum wurde das in der Branche nicht so gehandhabt?
Russ: Weil damit natürlich auch Probleme verbunden sind und die Branche kein klares Meinungsbild hatte. E-Books eignen sich für ganz andere Vertriebsformen. Flatrates, Abonnement-Verträge viele Varianten sind hier denkbar, die beim Hörbuch schon praktiziert werden und für E-Books genauso in Betracht kommen. Die Preisbindung steht solchen Paketlösungen eher im Wege. Probleme gibt es auch im grenzüberschreitenden Warenverkehr: Deutsche Bücher, die aus dem EU-Ausland zurück nach Deutschland gebracht werden, sind nicht mehr preisgebunden. Bei gedruckten Büchern sind solche Umwege mit einigem Aufwand verbunden, bei E-Books reichen ein paar Mausklicks. Der Börsenverein hatte deshalb Bedenken, ob sich die Preisbindung praktisch durchsetzen lässt. Wir als Preisbindungstreuhänder haben dagegen die Auffassung vertreten, dass man sich solchen Problemen erst dann stellen muss, wenn sie auftreten. Und dass E-Books in die Preisbindung einbezogen werden müssen.
Hat der Erfolg von Amazons Kindle in den USA die Entscheidung beeinflusst?
Russ: Natürlich. Die Stimmung in der Branche hat sich verändert, als sich gezeigt hat, dass Händler wie Amazon E-Books in den USA sehr günstig anbieten. Bei den Verlagen wächst die Sorge, keine Kontrolle mehr über die Preisgestaltung zu haben und mit preisfreien E-Books ihr Kerngeschäft mit Hardcovern und Taschenbüchern zu gefährden.
Lizenzen für Netzwerke, etwa bei Firmenkunden und Bibliotheken, sollen von der Preisbindung ausgenommen werden, auch der Download einzelner Kapitel. Ist das im Sinne der Preisbindung und der Preisbindungstreuhänder?
Russ: Ja. Wichtig ist, dass jetzt erst mal der Startschuss fällt. Die Branche ist sich einig: E-Books gehören zu preisgebundenen Buchprodukten. Es wird zwangsläufig Abgrenzungsprobleme geben, wie immer, wenn etwas neu ist. Im Streitfall müssen das dann die Gerichte klären.
Wie geht es für die Verlage jetzt weiter. Müssen sie mit ersten Abmahnungen durch die Preisbindungstreuhänder rechnen?
Russ: Nein, wir sind mit der Rechtsabteilung des Börsenvereins so verblieben, dass wir der Branche jetzt eine gewisse Übergangsfrist einräumen. Wir denken, dass sich die Preisbindung für E-Books in der Branche bis Ende des Jahres herumgesprochen hat. Ab Januar werden wir dann Preisbindungsverstöße auch auf diesem Gebiet verfolgen.